pdf-Version - Klaus Kunze
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dein Volk ist alles" dialektisch gegenübersteht. Diese liberale Eigensüchtigkeit<br />
kann erst überwunden werden, wenn der im Egoismus als alleinigem Prinzip<br />
liegende Extremismus als solcher allgemein durchschaut wird. Das wird die<br />
Stunde der systemüberwindenden Reformen im Sinne Scheuchs sein, in der das<br />
Feudalsystem "auf Bundesebene beseitigt" 332 und durch eine freiheitliche, dem<br />
Gemeinwohl und den Einzelinteressen gleichermaßen verpflichtete Volksherrschaft<br />
ersetzt wird, die zwischen den Extremen des Untertanenstaates und<br />
der totalen Feudalgesellschaft ein ausgewogenes Mittelmaß findet.<br />
DIE ÖKONOMISCHE PARALLELE<br />
Der extreme Liberalismus möchte den Staat gegen Null tendieren sehen,<br />
weil er auf die sich ausbalancierende Kraft des Wettbewerbs organisierter<br />
Gruppeninteressen baut. Sie sollen sich nach seiner "pluralistische Harmonielehre"<br />
gegenseitig in Schach halten und auspendeln. 333 Dieses Interessenvertretungsmodell<br />
behauptet scheinheilig, was den Sonderinteressen der jeweiligen<br />
Majorität förderlich sei, könne dem Gemeinwohl nicht schaden: "Was für General<br />
Motors gut ist, ist auch gut für Amerika." 334 Der Staat tritt hier nur noch<br />
als Agentur beim Ausgleich der widerstreitenden Interessen in Erscheinung und<br />
muß sich von Fall zu Fall besonders rechtfertigen, wenn er übergeordnete Gesichtspunkte<br />
zur Geltung bringen will. 335 Ja, man geht sogar so weit, so etwas<br />
wie ein Gemeinwohl überhaupt zu leugnen und mit dem sophistischen Gedankenkurzschluß<br />
zu bestreiten, was das Gemeinwohl sei, hinge ja doch nur davon<br />
ab, wer die Macht habe, es zu definieren. Letztlich sei das Gemeinwohl eine<br />
reine Fiktion. Die Aufgabe einer staatlichen Verfassung reduziert sich nach dieser<br />
Sicht auf ein bloßes Konfliktregulierungssystem zum wechselseitigen Interessenausgleich.<br />
Demgegenüber läßt sich sehr wohl und sehr leicht feststellen,<br />
welche politische Maßnahme, z.B. auf ökonomischen Gebiet, wem nützt. Unter<br />
demokratischen Prämissen kann Gemeinwohl nur bedeuten, als Bezugsgröße<br />
332 Scheuch, Cliquen, S.175.<br />
333 Arnim, Hat die Demokratie Zukunft? FAZ 27.11.1993.<br />
334 So der US-amerikanische Verteidigungsminister Wilson in den 50er Jahren; zit. nach F. Wil-<br />
liam Engdahl, Mit der Ölwaffe zur Weltmacht, S.142.<br />
335 Joachim Fest, Krise des Politischen, FAZ 14.10.1993.<br />
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