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DIE TRENNUNG VON STAAT UND<br />

GESELLSCHAFT<br />

DIE DIREKTWAHL DES BUNDESPRÄSIDENTEN<br />

183<br />

Das Plebiszit ist, wie jede Wahl, "das elementarste Sicherheitsventil gegen<br />

oligarchische Giftdämpfe." 579 Es ragt aber nicht bloß als Destruktionswaffe<br />

hervor, indem es das Repräsentativprinzip durchlöchert, jenes Bollwerk der<br />

Parteienmacht. Es ist vielmehr in Gestalt einer Volkswahl des Bundespräsidenten<br />

auch konstruktiv unentbehrlich. Unter demokratischen Prämissen muß<br />

jede Regierung, überhaupt jede Staatstätigkeit, durch eine Wahl demokratisch<br />

legitimiert sein. Die Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk wie in<br />

der Weimarer Republik und heute in Frankreich wäre eine solche Legitimation.<br />

Sie würde eine volle Nutzung des Präsidentenamtes im Rahmen des Verfassungssystems<br />

ermöglichen. Heute ist das wegen der doppelt indirekten Wahl<br />

des Präsidenten nicht möglich: Der prozeduralen Distanz zwischen Volk und<br />

Präsidentenamt entspricht die geringe Kompetenz seines Inhabers. Die innere<br />

Logik des Liberalismus will mit möglichst wenig Staat auskommen und<br />

benötigt die Amtsfunktion eines regierenden Staatsoberhauptes nicht.<br />

Wir brauchen aber das Präsidentenamt konstruktiv für die die gewaltenteilende<br />

Trennung von Staat und Gesellschaft und um das Repräsentationsdefizit<br />

bezüglich des Gemeinwohls zu füllen. Das kann das Amt nach heutigem<br />

Verfassungszustand nicht leisten. In der Zeit des Fürstenabsolutismus hatte sich<br />

der Staat gegenüber der Gesellschaft in der Person des Monarchen verkörpert,<br />

seinen Ministern und seinem Heer. Zwischen ihm und der gesellschaftlichen<br />

Repräsentation, dem Parlament, hat seit Einführung konstitutioneller Verfassungen<br />

in Deutschland bis 1918 meist ein Schwebezustand geherrscht. Beide<br />

Gewalten hielten ein Machtgleichgewicht, obwohl jede Seite die anderen gerne<br />

überwunden hätte. Es liegt in der Logik des Gegensatzes zwischen Staat und<br />

Gesellschaft, daß jede Seite gern zur Absolutheit werden möchte. Solange das<br />

keiner Seite gelingt, sind wir Bürger so frei wir irgend möglich. Abgesehen von<br />

behebbaren demokratischen Schönheitsfehlern wie einem ungleichen<br />

Wahlrecht hatte die Reichsverfassung vom 16.4.1871 diese Grundbedingung<br />

bürgerlicher Freiheit erfüllt, indem sie Staat und Gesellschaft trennte. Mon-<br />

579 Michels, Soziologie, S.93.

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