pdf-Version - Klaus Kunze
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den Versuch einer Fortentwicklung auf das utopische Ziel einer Demokratie dar<br />
und damit einen gezielten Angriff auf die Legitimationsgrundlagen des rein<br />
parlamentarischen Gesetzgebungsstaates schlechthin.<br />
Die radikale Linke hält das Volk für immer gut, den Magistrat aber für korruptibel.<br />
Sie will das Repräsentationsprinzip zugunsten eines basisdemokratischen<br />
Herrschaftssystems, z.B. nach dem Rätemodell, völlig abschaffen. Ihre<br />
Strategie der Demokratisierung ist eine Strategie der Systemüberwindung. Daß<br />
Demokratie und Parlamentarismus einander ausschließen, hat die radikale<br />
Linke erkannt und nützt die Achillesferse der Bonner Republik gnadenlos aus:<br />
die Lebenslüge, hinter dem schönen Etikett "Demokratie" verberge sich wirkliche<br />
Demokratie. Ohne den demokratischen Gedanken konsequent verwirklichen<br />
zu können, tragen die Parlamentaristen das Wort von der Demokratie<br />
ständig wie eine Monstranz vor sich her und verbuchen sie in ihrem Guthaben<br />
unter den tragenden Werten. Die linke Strategie der Systemüberwindung hatte<br />
sich dieses Wertes des parlamentarischen Systems bemächtigt und zum Angriff<br />
auf es selbst umfunktioniert. Daher greifen seine systemimmanenten Abwehrmechanismen<br />
nicht. 469 Die ganze Eigenlegitimation des Bonner Staates beruht<br />
dermaßen auf dem Demokratieprinzip, dieses ist so sehr weltanschaulich überhöht<br />
und quasireligiös funktionalisiert worden, daß es bei Strafe gesellschaftlicher<br />
Acht und Banns nicht in Frage gestellt werden darf. Der hinterlistigen Forderung<br />
nach mehr Volksabstimmungen und -entscheiden kann ohne Verstoß gegen<br />
das demokratische Dogma nichts entgegengehalten werden. Wir wollen uns<br />
das gut merken; vielleicht erweist sich diese Strategie noch an ganz unerwarteter<br />
Stelle als tauglich.<br />
DIE MODELLE DER RECHTEN<br />
Wer heute von "Demokratie" spricht, muß dazu sagen, was er eigentlich<br />
meint. Auch Sozialismus und Mitte, fortschrittlich, liberal oder faschistisch,<br />
alle diese vormals terminologisch abgrenzbaren Termini technici sind zu lange<br />
mißbraucht und abgenutzt worden: als Schlachtruf der eigenen Reihen im<br />
Kampf um Positionen und Begriffe oder auch als Schmähwort für den jeweiligen<br />
Gegner. Auch zu dem Wort rechts, das zunächst eine Richtung anzeigte,<br />
mag dem einen oder anderen ganz Unterschiedliches einfallen, zum Teil sich<br />
469 Helmut Schelsky, Die Strategie der Systemüberwindung, FAZ 10.12.1971.