pdf-Version - Klaus Kunze
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selbst. Die Bonner "politische Klasse" kann nicht einfach zurück, wie Richard<br />
von Weizsäcker vorschlug. Sie muß immer weitere Lebensbereiche politisieren<br />
450 und ihren ökonomischen Einfluß auf die Ämtervergabe und andere<br />
Pfründenweiden systematisch vergrößern, um ihre Gefolgsleute an sich zu<br />
binden.<br />
Wie sich ein Mensch nicht an den eigenen Haaren aus einem Sumpf ziehen<br />
kann, so kann sich das auf Vorteilnahme gegen Parteitreue beruhende Feudalsystem<br />
des Parteienstaats nicht aus sich selbst heraus regenerieren. Der Trend<br />
fettfleckartiger Ausbreitung geht ungebremst in die falsche Richtung. Die<br />
Parteipolitiker als maßgebliche Gesetzgeber werden keine Verfassungsänderungen<br />
vornehmen, die ins Fleisch der Parteienmacht wirkungsvoll einschneiden<br />
würden. Alle Forderungen z.B. Scheuchs nach weiser Selbstbeschränkung der<br />
Parteien stehen folglich in Widerspruch zu seiner eigenen These, daß das System<br />
selbstreferentiell ist und nur noch seinen eigenen Gesetzen gehorcht. Es<br />
folgt daraus und aus diesen Gesetzen zwingend, daß es aus sich selbst heraus<br />
reformunfähig ist. Das System ist das System der Parteien, und "nichts deutet<br />
darauf hin, daß die Staatsparteien des Parteienstaates sich selbst<br />
demokratisieren können." 451 Seinen Mängeln durch bloße Appelle an die<br />
Politiker abzuhelfen, erscheint ziemlich hoffnungslos, denn die Mängel sind<br />
systembedingt. 452 Es muß der liberalen Theorie als Mangel vorgehalten werden,<br />
daß sie diesem offenen Dilemma nicht zu entrinnen vermag. Während<br />
Scheuch auf der einen Seite Reformvorschläge macht, die als Gesetzesänderungen<br />
nur von Parteipolitikern verwirklicht werden können, und fordert, daß<br />
System auf Bundesebene zu beseitigen, gibt er an anderer Stelle zu, er sehe keine<br />
Chance zur Beseitigung "dieser Mafia-Strukturen" aus den Parteien selbst<br />
heraus. 453 Wer denn aber als Deus ex machina den Teufelskreis durchbrechen<br />
soll, bleibt offen.<br />
Wenn das System tatsächlich selbstreferentiell ist, kann es nur von Kräften<br />
aufgebrochen werden, die seinen Gesetzlichkeiten nicht unterliegen. Solange<br />
seine Spielregeln alle derartigen Kräfte erfolgreich von jedem Wirksamwerden<br />
fernhalten können, kann es sich möglicherweise noch Jahrzehnte so weitermogeln,<br />
trotz des schon vor über 30 Jahren ausgerufenen "Endes des Partei-<br />
450 Schrenck-Notzing, Interview in: Junge Freiheit Nr.12/1993, S.3.<br />
451 Stubbe-da Luz, Parteiendiktatur, S.233.<br />
452 Arnim, Ein demokratischer Urknall, S.35.<br />
453 Scheuch, Interview in Europa vorn, a.a.O., S.1.