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pdf-Version - Klaus Kunze

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len Parteifesseln befreit, sondern es wurden nur die einen Bande durch andere<br />

ersetzt. Der perfekte Liberalismus des Bonner Grundgesetzes ermöglichte die<br />

vollständige Eroberung des Staates durch die Gesellschaft in Gestalt der sich<br />

formierenden Bonner Parteien. Die Pluralisierung durch Parteienvielfalt war<br />

nur vordergründig und kurzlebig. Sie hat die latente Wendung zum Totalen<br />

"nicht aufgehoben, sondern nur sozusagen parzelliert, indem jeder organisierte<br />

soziale Machtkomplex soviel wie möglich - vom Gesangverein und Sportklub<br />

bis zum bewaffneten Selbstschutz - die Totalität in sich selbst und für sich<br />

selbst zu verwirklichen sucht." 198<br />

Wenn aber eine Partei den Staat usurpiert, zerstört sie die Grundlage seiner<br />

Machtlegitimation: Die über alle Staatsangehörigen ausgeübte Staatsgewalt findet<br />

ihre innere Rechtfertigung nämlich darin, daß dieser Staat tatsächlich allen<br />

Bürgern Schutz und Rechtsfrieden nach innen und außen gewährleistet.<br />

Identifiziert sich aber eine Teilgruppe oder Partei einseitig mit dem Staat und<br />

erobert seine Schaltstellen, so grenzt sie damit die anderen Gruppen oder Minderheiten<br />

aus und definiert sie als nicht zum Staat gehörende Feinde: als Ketzer<br />

oder Staatsfeinde, als Volksschädlinge, Klassen- oder Verfassungsfeinde. So<br />

steht dann eine parteigelenkte Polizei mit in den Hosentaschen vergrabenen<br />

Händen dabei, wenn randalierende Politgewalttäter den Parteitag einer der<br />

Regierung unbequemen Oppositionspartei zusammenprügeln. Noch einfacher<br />

ist es für die Regierungspartei, auf die bloße Drohung gewalttätiger Banden hin<br />

die Veranstaltung einer Oppositionspartei polizeilich als "Risiko für die<br />

öffentliche Sicherheit" zu verbieten.<br />

Die von Carl Schmitt schon in der Weimarer Zeit gesehene Gefahr einer<br />

Wendung zum totalen Staat spitzt sich ständig zu. 1954 schrieb Martini weitsichtig:<br />

"Diese Gefahr ist um so größer, je mehr sich unter dem Eindruck<br />

sozialer Krisen der consensus verdünnt, so daß sich die Parteien in<br />

zunehmendem Maße mit der Nation, mit der 'volonté générale' identifizieren,<br />

die Gegenparteien also damit als nationalen Feind diskriminieren." 199 Der Staat<br />

kann seine ordnungsstiftende und befriedende Funktion nur ausfüllen, wenn er<br />

tatsächlich neutral und nicht von Parteigängern von innen heraus erobert ist.<br />

"Wo ein Teil der Bürger in einem Teil der anderen aus welchen Gründen auch<br />

immer nicht 'Rechtsgenossen', sondern Feinde erblickt," erkennt der Rechtsphilosoph<br />

Braun, "an deren loyaler Gesinnung man zweifeln muß, dient das<br />

Recht in der Sicht der beiden Kontrahenten weniger dem Schutz der eigenen<br />

198 Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S.84<br />

199 Martini, Das Ende aller Sicherheit, S.292.

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