pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
137<br />
___________________________________________________________<br />
Familie, Stand und Nation zu zerstören. 465 Die Linke hat keine Erklärung für<br />
die Paradoxie, die Solidarität der Menschheit zu behaupten und zugleich die<br />
des Volkes und der Familie zu leugnen, "was behaupten heißt, daß die Feinde<br />
Brüder sind und die Brüder keine sein dürfen." 466<br />
Unser Volk und sein Wohl, das "Gemeinwohl" des Staatsvolks also, ist für<br />
die Linke keine maßgebliche Größe. Ihr gedanklicher Weg führt vom autonomen<br />
Individuum über die Klassen- oder Geschlechtszugehörigkeit gleich zur<br />
"Menschheit". Dieser universalistische Anspruch bringt den politischen Vertretern<br />
der Linken einen entscheidenden taktischen Vorteil: Der abstrakte Gedanke<br />
einer einheitlichen und in ihrer Einheit und Universalität an universelle Normen<br />
gebundenen Menschheit dient dazu, den konkreten deutschen Staat einer<br />
ethischen Idee wie der "Gleichheit" zu unterwerfen und somit die Position jener<br />
zu stärken, die sich als berufene Interpreten dieser universellen ethischen Idee<br />
empfehlen. Unter diesem Aspekt argwöhnen wir mit Carl Schmitt: "Wer<br />
Menschheit sagt, will betrügen." 467 Der Betrug besteht darin, daß die selbsternannten<br />
Hohepriester universalistischer Menschheitsansprüche Unterwerfung<br />
unter ihre Moralforderungen mit dem hinterlistigen Nebeneffekt beanspruchen,<br />
zugleich ihr Interpretationsmonopol dieser Menschheitsmoral und damit ihre<br />
weitere Priesterherrschaft zu akzeptieren.<br />
Für uns Ungläubige stellt sich dagegen die elementare Frage, warum wir<br />
ausgerechnet an eine universelle Moral glauben sollen, die offenkundig mit<br />
unseren Gegnern oder Konkurrenten im Bunde ist. Die Berufung auf<br />
universelle Gleichheitsphrasen führt nämlich neben der Unterwerfung unter<br />
ihre berufenen Interpreten zu unserer ideologischen Selbstentwaffnung<br />
gegenüber allen jenen millionen Erdenbewohnern, die täglich in ihren Heimatländern<br />
verhungern, erfrieren oder Kriegen ausgesetzt sind und die unter<br />
Pochen auf abstrakte Menschenrechte gern in Deutschland ernährt, gewärmt,<br />
behaust und beschützt werden möchten. Wer also die Frauen, die Arbeiterklasse<br />
oder die Menschheit für real und nicht nur für Worte hält, bloß stimmlichen<br />
Hauch, mag getrost versuchen, die Probleme der Frauen oder der Menschheit<br />
zu lösen. Wer dagegen seine Familie und sein Volk als Realitäten wahrnimmt,<br />
wird in linken Konzepten keine Lösungsansätze für deren Gefährdung finden.<br />
465 Louis de Bonald, Du Perfectionnement de l'homme (1810) = Ouevres, VII, 516 f., zit. nach<br />
Kondylis, Konservativismus, S.335.<br />
466 Donoso Cortés, Essay, S.169.<br />
467 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, S.55.