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pdf-Version - Klaus Kunze

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kalen Bahnen. Die erlebten sozialen Strukturen beginnen bei seiner Familie und<br />

gipfeln in seinem Volk. Ihm ist diese Sichtweise evident, und "Familie" entspringt<br />

seinem realen, täglichen Erleben. Sie ist für ihn eine wirklich vorhandene<br />

höhere Einheit. So wie der "Mensch mehr ist als die Summe seiner Atome,<br />

der Glieder, Organe und Säfte, aus denen er besteht, ist eine Ehe mehr als Mann<br />

und Frau, eine Familie mehr als Mann, Frau und Kind. Eine Freundschaft ist<br />

mehr als zwei Männer und ein Volk mehr, als durch das Ergebnis einer Volkszählung<br />

oder durch eine Summe von politischen Abstimmungen zum Ausdruck<br />

gebracht werden kann." 462 Das Ganze ist mehr ist als die Summe seiner Teile,<br />

weil das aufeinander bezogene Zusammenwirken an sich selbständiger Systeme<br />

zu einem Gesamtsystem neuer, und zwar höherer Art mit gänzlich neue Systemeigenschaften<br />

führt. 463<br />

Aus diesen zwischenmenschlichen Bindungen sucht das linksemanzipatorische<br />

Denken sich loszulösen und sieht die entscheidenden Gemeinsamkeiten<br />

eher horizontal: nämlich zwischen zum Beispiel der Frau - der Frau von<br />

nebenan - allen Frauen oder dem Arbeiter - dem Kollegen - der Arbeiterklasse.<br />

Gegenüber der "rechten" Wahrnehmung von Mann, Frau und Kindern als<br />

konkrete Familie sieht die "linke" Weltsicht über eheliche Liebe und<br />

Blutsverwandtschaft hinweg und verknüpft, rein rationalistisch, Abstrakta zu<br />

Oberbegriffen. Meine Frau, die Kassiererin von nebenan, die Indiofrau aus dem<br />

Fernsehbericht von gestern abend und Alice Schwarzer werden so wegen gewisser<br />

anatomischer Übereinstimmungen zu einem höheren Ganzen vereint:<br />

"die Frauen" - Welch scheußliche Vorstellung! - Ähnliches müssen Millionen<br />

von Menschen aller Herren Länder über sich ergehen lassen, die sich überhaupt<br />

nicht kennen, aber für die Arbeiterklasse oder ähnliche Trugbilder vereinnahmt<br />

werden, und weitere "horizontale" Personengesamtheiten von Menschen, die<br />

sich überhaupt nicht kennen und nicht einmal entfernt verwandt sind. Einem<br />

Menschen schlechthin, spottete schon de Maistre, sei er noch nie im Leben begegnet.<br />

Er habe nur Franzosen, Italiener, Russen usw. gesehen. 464 Auch Bonald<br />

hatte der aufklärerischen Linken vorgeworfen, Menschen nur individuell wahrzunehmen<br />

und ihnen mit der "Menschheit" einen rein abstrakten Bezugspunkt<br />

zu geben, nur um ihre traditionellen und für sie grundlegenden Bindungen an<br />

462 Ernst Jünger, Der Arbeiter, S.35.<br />

463 Konrad Lorenz, Die Rückseite des Spiegels, S.48.<br />

464 De Maistre, Betrachtungen über Frankreich, S.60.

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