28.10.2013 Aufrufe

pdf-Version - Klaus Kunze

pdf-Version - Klaus Kunze

pdf-Version - Klaus Kunze

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

196<br />

___________________________________________________________<br />

Wichtigstes Erfordernis für ein Präsidentenamt im Präsidialsystem ist aber<br />

ein auf das Ganze gerichtetes Amtsverständnis. Ein Präsident mit dem Wahlspruch<br />

Ludwig XIV. "Der Staat bin ich!" würde alle Übel kumulieren: Er<br />

würde den Staat für eine selbstbezogene Herrschaft mißbrauchen und mit seiner<br />

Einpersonenherrschaft den kleinsten Baustein der Gesellschaft zum Eroberer<br />

des Staatsapparates machen. Damit wäre die Herrschaft aus Sicht des Staats absolut,<br />

aber doch wieder ausgeübt durch und bezogen auf einen gesellschaftlichen<br />

Kleinstteil. Gegen diese absolutistische Versuchung hilft nur ein Amtsverständnis,<br />

wie es Friedrich der Großen mit seinem Motto ausgedrückt hat: "Ich<br />

bin der erste Diener meines Staates."<br />

Auch Ernst-Wolfgang Böckenförde fordert eine derartige, auf die Erfordernisse<br />

der Allgemeinheit gerichtete, aus einem Amtsethos kommende und von<br />

Partikularbindungen und Basisimperativen freie Vertretung und nennt sie<br />

"inhaltliche Repräsentation". Das Vorhandensein einer solchen, auf die Belange<br />

des Volkes insgesamt gerichteten Repräsentation ist Voraussetzung dafür, daß<br />

die parlamentarische Demokratie nicht zu einer delegierten Individual- und<br />

Gruppenherrschaft, einem wechselnden Mehrheitsabsolutismus 602 oder der autokratischen<br />

Selbstherrschaft eines einzelnen absinkt. Der Mehrheitsabsolutismus<br />

ist aber der Istzustand der totalen Gesellschaft, deren radikaler Liberalismus<br />

den Gegensatz zwischen dem Ganzen und seinen Teilen konsequent zulasten<br />

des Ganzen aufgelöst hat. Immer folgt aus dem Liberalismus in letzter<br />

Konsequenz Mehrheitsabsolutismus, niemals Freiheit. 603 Seine Abgeordneten<br />

sind in reale, soziologisch, ökonomisch und innerparteilich greifbare Zwänge<br />

und Gesetzlichkeiten eingebunden und können in ihrer Masse selbst dann nicht<br />

für das Wohl aller eintreten, wenn sie das gerne wollten. Nichts zwingt sie zu<br />

einem auf das Ganze bezogenen Amtsethos, wohingegen sie von Gruppeninteressen<br />

und ihrem Eigeninteresse an Wiederaufstellung persönlich abhängig sind.<br />

Allein der Amtsbegriff eignet sich als Ausgangspunkt 604 für eine prinzipiell<br />

fremdnützige Vertretung der Interessen des Ganzen durch sein Oberhaupt. Diesem<br />

muß, praktisch auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere, durch geeignete<br />

Maßnahmen persönliche und sachliche Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit<br />

ermöglicht werden. Zum Beispiel sollte er bei Gesprächen mit dem<br />

Aufsichtsratsvorsitzenden einer multinationalen Aktiengesellschaft nicht<br />

602 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.20.<br />

603 E.J. Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen, S.228.<br />

604 Ebenso Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.21; Hennis, Amtsgedanke, S.51<br />

passim.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!