pdf-Version - Klaus Kunze
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Dieses System muß sich die Frage nach seiner inneren Logik gefallen lassen:<br />
Wem oder welchen Interessen gegenüber soll das Parlament eigentlich wen<br />
oder wessen Interessen "repräsentieren", wenn es kraft seiner Allzuständigkeit<br />
alle Interessen überhaupt in sich vereint? Repräsentation setzt nämlich dreierlei<br />
voraus: Einen Repräsentanten, einen Repräsentierten und einen Dritten, dem<br />
gegenüber repräsentiert wird. 543 "Die Bedeutung des dritten Faktors ist dabei<br />
nicht geringer als die der beiden erstgenannten. So verlören etwa diplomatische<br />
Vertretungen ihren Sinn, gäbe es keine fremden Regierungen mehr, denen gegenüber<br />
sie Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen hätten. Geschäftsführer<br />
von Gesellschaften wären überflüssig, träte das Unternehmen nicht in Außenbeziehungen.<br />
Übertragen auf die parlamentarische Repräsentation, erfüllt sie<br />
ihren Sinn in der Vertretung aller im Volk vorhandenen Meinungen, solange<br />
ein tatsächlicher Dualismus zwischen Parlament und Regierung besteht." 544 Ein<br />
solcher Interessengegensatz kann nicht bestehen, wenn die Regierung<br />
funktional ein Parlamentsausschuß ist, zumal beide Staatsorgane ohnehin unter<br />
den Bedingungen des Parteienstaats von einer jeweiligen Majoritätspartei oder<br />
-koalition überlagert werden.<br />
Das ist das eigentliche Spezifikum des Parlamentarismus im hier dargestellten<br />
engeren Sinne: Die absolute Parlamentsherrschaft, 545 seine prinzipielle Allzuständigkeit,<br />
die sogenannte Kompetenz-Kompetenz des Parlaments, das heißt<br />
die gesetzliche Zuständigkeit, über den Umfang der eigenen Zuständigkeit zu<br />
entscheiden. Das ursprünglich nur den Staat überwachende Parlament hatte<br />
nach Teilhabe an der Macht verlangt; und nach der Teilhabe verlangte es nach<br />
der ganzen, ungeschmälerten Macht. "Je mehr der Gegenspieler, die monarchische<br />
Repräsentation, entfiel, um so mehr entfiel auch die Repräsentation des<br />
Parlaments, und die repräsentative Körperschaft verwandelte sich in einen<br />
Ausschuß der Wählermassen." 546 Historisch war als erste den Weg der<br />
radikalen Repräsentation unter Ausschaltung des empirischen Volkes die<br />
französische Konstituante von 1789 gegangen und begründete damit "eine<br />
demokratietheoretische Tradition, die [...] sich nunmehr der Gefahr eines<br />
repräsentativen Absolutismus aussetzte." 547 Ihre heutige Allmacht läßt sich<br />
543 Wolff, Organschaft und juristische Person, S.16 ff.<br />
544 Ziemske, ZRP 1993, 369 (370).<br />
545 Zu dieser vgl. systematisch Carl Schmitt, Verfassungslehre, S.304.<br />
546 Carl Schmitt, Verfassungslehre, S.219.<br />
547 Preuß, Plebiszite, ZRP 1993, S.134, 138.