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pdf-Version - Klaus Kunze

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Deshalb kann die "Gewaltenteilung" nicht die Gloriole eines etwaigen Refugiums<br />

für weltanschauliche Dissidenten für sich in Anspruch nehmen, die nicht<br />

liberal sein möchten und andere Grundwerte betonen als die freie Entfaltung<br />

der Individualität des Einzelmenschen. Auch wenn jeder Angehörige der Rechtsprechung<br />

persönlich unabhängig ist, ist er doch durch die Gesetze und die Verfassung,<br />

auf die er geschworen hat, dazu verpflichtet, auf der Grundlage<br />

bestimmter vorgegebener Ideologeme zu richten. Schreckenberger hat diese als<br />

Trivialideologie bezeichnet, als Basisdoktrin zur verfassungskräftigen Dogmatisierung<br />

eines Kernbestandes gesellschaftlicher Überzeugungen, der für<br />

eine pluralistische Gesellschaftsauffassung unentbehrlich sei. 303 Diese werden<br />

heute üblicherweise als "Wertordnung des Grundgesetzes" bezeichnet. So<br />

können Richter in der parlamentarischen Demokratie mit derselben Konsequenz<br />

nur auf parlamentarisch-demokratischer Basis richten, wie etwa Richtern<br />

im Sozialismus ein fester "Klassenstandpunkt" abverlangt wurde. Das<br />

parlamentarische System teilt das Schicksal aller Systeme, die Wert auf ihren<br />

Selbsterhalt legen: Es ergreift alle Gewalten. In ihnen muß zwangsläufig<br />

derselbe Geist walten. Eine Freiheit für nicht Liberale, das System zu verändern,<br />

gibt es vor liberalen Gerichten nicht. Das relativiert die Sage vom<br />

freiesten Staat auf deutschem Boden beträchtlich.<br />

Keine Chancengleichheit für Parteien<br />

Wie empirische Versuche gezeigt haben, gibt es auch die für die freiheitliche<br />

demokratische Grundordnung (FdGO) grundlegende Chancengleichheit für<br />

alle Parteien nicht; jedenfalls nicht für neue Parteien, die dem Postenverteilungskartell<br />

der Etablierten noch nicht angehören. Die Chance des legalen<br />

Machtgewinns ist nicht nur Wesensmerkmal der FdGO, sondern darüber hinaus<br />

der einzig plausible Grund für jede Opposition, sich friedlich an die jeweiligen<br />

Spielregeln des jeweiligen Systems zu halten. Schließen diese Regeln die<br />

Chance des friedlichen Machtgewinns aus, provozieren sie ihre illegale Durchbrechung.<br />

304 Eine Rechtsordnung, die allen Bürgern Rechtsfrieden verspricht,<br />

"kann nur dann mit allgemeiner Akzeptanz rechnen, wenn und soweit die<br />

Normadressaten überhaupt bereit sind, einander als Rechtsgenossen, d.h. als<br />

303 Schreckenberger, FAZ 3.3.1995.<br />

304 Vgl. weiterführend Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, S.30 f. (34).<br />

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