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pdf-Version - Klaus Kunze

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eng befreundete Individuum" 320 Sein Verstand predigt erst einmal Selbstsucht,<br />

und darum sind die meisten Menschen dann am scharfsinnigsten, wenn es darum<br />

geht, sich von ethischen Verpflichtungen freizusprechen. 321<br />

Das auf ein abstraktes Gemeinwohl gerichtete altruistische Handeln kommt<br />

also nicht als angeborene Verhaltensweise von allein, sondern bedarf der "sozialen<br />

Abstützung" durch Institutionen 322 die das Wohl des Ganzen wahren und<br />

Einzelegoismen, wo nötig, in ihre Schranken weisen. Die Summe dieser Institutionen<br />

nennen wir Staat. Dessen Funktionieren hängt davon ab, daß seine<br />

Amtsträger tatsächlich gemeinwohlorientiert handeln, denn von der Förderung<br />

dieses Wohls und dem In-Schach-Halten der Egoismen hängt seine Existenzberechtigung<br />

ab. Wenn Vertreter von Einzel- und Teilinteressen den Staat und<br />

seine Amtsträger dazu veranlassen, nicht mehr das Gemeinwohl als Maßstab zu<br />

nehmen, sondern Parteiinteressen, muß man das im weitesten Sinne als Korruption<br />

bezeichnen. Der Liberalismus ist immer in Gefahr, dieser eigennützigen<br />

Tendenz zu erliegen. In Deutschland ist sie zum System erhoben worden. Die<br />

maßgeblichen Vertreter des Gemeinwohls sind nämlich in einer Person regelmäßig<br />

auch Funktionäre organisierter Gruppeninteressen und sollen zwei Herren<br />

gleichzeitig dienen, was sie natürlich nicht können.<br />

Das Gemeinwohl nimmt aber Schaden, wenn der Staat mit seinen Institutionen<br />

nur mißtrauisch kontrollierter Untergebener gesellschaftlicher Parteiungen<br />

ist. Seine Diener tragen Parteibuch und Parteigesinnung. Der Liberalismus<br />

erhebt den Staat nicht zum fürchterlichen Leviathan, sondern erniedrigt ihn im<br />

Gegenteil zum gefesselten Gulliver. Sechs konservative Jahrhunderte mögen es<br />

gerade zwei Generationen erlauben, liberal zu sein. 323 Ist der für den Zusammenhalt<br />

des Ganzen notwendige Grundbestand an Gemeinwohlorientierung<br />

durch Generationenwechsel aufgezehrt, kommen Führungseliten zur Macht, die<br />

den Staat nur noch als Selbstbedienungsladen ansehen. Diese Toskana-Fraktion<br />

drängt seit einigen Jahren massiv an die Schaltstellen der Macht und verdrängt<br />

die Restbestände älterer Politiker, die in ihrer Jugendzeit noch gelernt hatten,<br />

daß Gemeinnutz vor Eigennutz geht.<br />

320 Konrad Lorenz, Der Abbau des Menschlichen, S.151.<br />

321 Roswin Finkenzeller, Warum das Böse so mächtig ist, FAZ 29.12.1993.<br />

322 Vgl. dazu die Institutionentheorie Arnold Gehlens (in: Urmensch und Spätkultur) und zu<br />

Gehlens "Institutionen als Ort der sozialen Abstützung".<br />

323 Mohler, Liberalenbeschimpfung, 1990, S.135<br />

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