pdf-Version - Klaus Kunze
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stutzt werden, wenn Gewaltenteilung mehr sein soll als Salamitaktik zur Eroberung<br />
der Macht des Staates durch die Gesellschaft und bloße Aufteilung von<br />
Verfassungskompetenzen auf gleichermaßen von Regierungsparteien abhängige<br />
Filialen des Parlaments.<br />
Wie der einer gesellschaftlichen Repräsentation nicht zustehende Einfluß<br />
auf die Regierungsgeschäfte für das Ganze zu beseitigen ist, wurde bereits dargelegt:<br />
Das Parlament darf sich nicht mehr einen von ihm abhängigen Kanzler<br />
halten und sich in seine konkreten Regierungsentscheidungen einmischen.<br />
Ebenso muß die Kompetenz des Parlaments zur Besetzung von Richterstellen<br />
mit Parteifreunden beseitigt werden. Diese Befugnis ist partei- und parlamentsunabhängigen<br />
Richterwahlausschüssen unter Aufsicht des Bundespräsidenten<br />
zu übertragen. Diese Aufsicht beschränkt sich auf die Unabhängigkeit der Ausschußmitglieder<br />
und die formale Rechtmäßigkeit deren Entscheidungen. Die<br />
Sachentscheidungen des Ausschusses sind verwaltungsgerichtlich überprüfbar,<br />
wobei das Gericht befugt ist, die Einhaltung des Leistungsprinzips materiell zu<br />
überprüfen.<br />
Im Vordergrund der modernen Parlamentstätigkeit steht die Gesetzgebung.<br />
Sie kann dem Bundestag als dessen originäre Aufgabe nicht grundsätzlich entzogen<br />
werden. Die Gesetzgebung nach Gutdünken der jeweiligen Mehrheit der<br />
gesellschaftlichen Kräfte ist in einem Gemeinwesen nicht entbehrlich, das Wert<br />
legt auf die Legitimität und Akzeptanz seiner Rechtsregeln durch die Bevölkerung.<br />
Der Grundsatz der alleinigen Gesetzgebung durch das Parlament ist aber<br />
bereits heute vielfach durchbrochen, und der verbreitete Glaube, es gebe in<br />
Deutschland eine wegen der Gewaltenteilung strikt durchgehaltene ausschließliche<br />
Gesetzgebung durch den Bundestag und die Landtage, ist ein laienhaft<br />
falscher Glaube. Die Juristerei unterscheidet spitzfindig zwischen Gesetzen im<br />
formellen und im materiellen Sinne: Formell gelten nur die vom Parlament beschlossenen<br />
Regeln als Gesetze. Materiell, also inhaltlich, gilt eine Fülle nicht<br />
von den Parlamenten beschlossener, abstrakt-genereller Regelungen. Bekanntestes<br />
Beispiel ist die von der Regierung, nämlich dem Bundesverkehrsminister,<br />
aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung im Straßenverkehrsgesetz erlassene<br />
Staßenverkehrsordnung. Auch solche Regelungen sind inhaltlich Gesetze, weil<br />
wir uns alle an sie halten müssen.<br />
Das Parlament konnte schon seit der Weimarer Zeit nicht mehr den sprunghaft<br />
steigenden Normenbedarf befriedigen, weil dieser immer wieder die Kapazität<br />
der gesetzgebenden Organe überstieg. Was damals aber als Übergangserscheinung<br />
angesehen wurde, erwies sich als bis heute anhaltender Dau-<br />
Martin Kriele, Die Herausforderung des Verfassungsstaates: Hobbes und englische Juristen,<br />
1970.