pdf-Version - Klaus Kunze
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vernichten, 422 alles weitere läßt ihn kalt. Als Hüter alles Besonderen, Eigentümlichen,<br />
Wertvollen oder Einzigartigen ist der Liberale völlig ungeeignet,<br />
weil er zu dessen Verteidigung keinerlei ethisches Rüstzeug besitzt und den<br />
Werten anderer verständnislos-gleichgültig gegenübersteht. Im Gegenteil tendiert<br />
das freie Spiel der Kräfte, jener Wettbewerbsgedanke als Kern des liberalen<br />
Weltbildes, zu universaler Verflachung und Einebnung der Unterschiede<br />
durch die Dominanz des jeweils Stärkeren und die Verdrängung des Kleinen<br />
und Schwachen. Der Liberalismus ist nicht der Hüter des Gleichgewichts zwischen<br />
Allgemeinem und Besonderen, sondern Motor der weltweiten Gefährdung<br />
der Einzelvölker und -kulturen durch eine umfassende Weltzivilisation<br />
nach Vorbild der erzliberalen Gesellschaft an sich, den USA.<br />
Liberale Reformvorschläge<br />
Es mangelt nicht an Vorschlägen, die bekannten und von Liberalen durchaus<br />
zugegebenen Mängel des Parlamentarismus durch systemkonforme Verbesserungen<br />
zu beheben. Mangels gedanklicher Durchdringung der strukturellen und<br />
systematischen Gründe der Misere sind diese Vorschläge realitätsfern. Schon<br />
ein Vergleich des deutschen mit ausländischen Parlamentarismen zeigt aber,<br />
daß dieselben Strukturprobleme in den meisten Ländern zur selben Krise<br />
geführt haben. 423<br />
Am meisten haben Korruption und mangelnde Gemeinwohlorientierung<br />
wohl Italien heruntergewirtschaftet. Schwarzrote Vetterlnwirtschaft und vollständiges<br />
Aufsaugen aller öffentlichen Ämter durch die großen Parteien haben<br />
in Österreich zu massiven Stimmengewinnen der FPÖ und damit der Partei geführt,<br />
die ausdrücklich gegen den schwarzroten Filz und die Vereinnahmung<br />
des Staates durch die Parteien antritt. In Belgien hat sich der Liberalismus als<br />
unfähig erwiesen, einen für alle Volksgruppen annehmbaren Modus vivendi zu<br />
finden, Flamen und Wallonen dauerhaft zu integrieren und zu einer höheren,<br />
"belgischen" Einheit zu verschmelzen. Kein Wunder: ist er doch zu überindivi-<br />
422 Ernst Nolte, FAZ 22.2.1992.<br />
423 Ebenso R.v.Weizsäcker am 30.4.1992 in einer Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses:<br />
In allen westlichen Demokratien hätten die Parteien sich den Staat zur Beute gemacht und ähnliche<br />
Probleme hervorgerufen. Zu Italien, wo angesichts mafioser Strukturen in der Politik "von<br />
Staat kaum noch die Rede sein könne", Ernst Nolte, FAZ 3.7.1993.