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pdf-Version - Klaus Kunze

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klerikalen Staat. Soziologisch betrachtet fungieren derartige metaphysischer<br />

Gebote als Mittel der Herrschaftstechnik. Sie verordnen den Beherrschten eine<br />

Ethik, unter deren Geltung nicht nur die Herrschenden weiter herrschen und die<br />

Beherrschten weiter beherrscht bleiben, sondern sich darüber hinaus des<br />

Beherrschtwerdens erfreuen und es als ethisch anstößig empfinden, überhaupt<br />

die Frage nach der Legitimation der Herrschaft aufzuwerfen oder gar gegen sie<br />

anzukämpfen. Dem juristischen Verbot des weiteren Kampfes um die Macht<br />

folgt das moralische: Der Unterlegene soll eine Wiederaufnahme des Kampfes<br />

noch nicht einmal mehr denken dürfen. Der endgültigen Durchsetzung der<br />

etablierten Macht folgt die Moralisierung des Politischen. Dem Unterlegenen<br />

wird eingeredet, daß es moralisch böse und ethisch anstößig sei, um Macht zu<br />

kämpfen, ja daß es überhaupt keine existentielle Feindschaft gibt, die das<br />

Kämpfen lohnen würde. Das Friedlichkeitsgebot ist die Waffe des Siegers, und<br />

die Wiederaufnahme des Kampfes zum Gedankenverbrechen; schließlich zum<br />

Tabu. Dieses kann unter den Bedingungen des Medienstaates errichtet,<br />

durchgesetzt und instrumentalisiert werden.<br />

Während die Obrigkeit der mittelalterlichen Feudalgesellschaft ihre Untertanen<br />

glauben machte, ihre Herrschaft beruhe auf Gottes Willen, steht die<br />

intellektuelle Raffinesse moderner liberaler Herrschaftsrechtfertigung den altvorderen<br />

Vorbildern in nichts nach. Es geht heute um die Wahrung der gesellschaftlichen<br />

Macht der ökonomisch jeweils Stärksten. Diese bedarf zu ihrer<br />

Legitimierung des Glaubens der vielen Schwächeren, das möglichst unkontrollierte<br />

Walten rein ökonomischer Faktoren führe über eine Art Kräftebalance zur<br />

Harmonie und auch ihrem, der Schwächeren, Gedeihen. Durch kritisch-rationalistisches<br />

Infragestellen aller nicht ökonomisch begründeten menschlichen<br />

Gemeinschaften sollen diese entlegitimiert und schließlich zerstört werden. So<br />

gerät der von den Bindungen an Volk und Familie "befreite" Deutsche umso<br />

sicherer unter die Herrschaft des internationalen Geldes und findet sich als Verbraucher<br />

wieder.<br />

Wie sich der real existierende Liberalismus aus dem ihm eigentlich<br />

verhaßten Arsenal seiner ideolgischen Gegner bewaffnet, zeigt sich bereits in<br />

seinen äußeren Alltagsformen. Politische Reden werden "wie ein moralischrhetorisches<br />

Hochamt begangen", in dem "die Liturgie vom guten Menschen<br />

zelebriert wird" 354 Nicht zufällig entfernt sich der deutsche Alltag seit einigen<br />

Jahren wieder von jener nüchternen Nachkriegszeit, in der die vom NS-System<br />

noch wirklich Betroffenen von Pathos und Aufmärschen, Fahnen, Schwüren,<br />

354 Jeismann, FAZ 28.5.1994 in Anspielung auf R.v.Weizsäckers Reden.

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