pdf-Version - Klaus Kunze
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meinwohlinteressen" müsse wieder zur Richtschnur des Handelns werden. 436<br />
Nirgends war zu lesen, wie wir es denn anstellen sollen, die Damen und Herren<br />
Parteioligarchen zu gemeinwohlorientiertem Handeln zu veranlassen. Über lamentierendes<br />
Wehklagen und eine Zustandsbeschreibung des real existierenden<br />
Parlamentarismus ist die Politikforschung der Nachkriegszeit selten hinausgekommen.<br />
Dagegen kann nur die analytische Einsicht in das vorhandene Krisengeflecht<br />
die Möglichkeit zu einem sinnvollen, intensiv reflektierten Neuanfang<br />
bieten. 437<br />
Bei der Aufstellung der Kandidaten auf Wahllisten haben die Parteien ein<br />
Nominierungsmonopol. Die Auswahl des gesamten politischen Personals ist in<br />
ihre Hände übergegangen. 438 Während sich das BVerfG in rührender Weise um<br />
die Parteien sorgt, diese dürften nicht "in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer<br />
Weise vom Staat abhängig" werden, 439 verliert es kein Wort über den tatsächlichen<br />
Zustand der Erbeutung des Staats durch die Parteien. Die übliche<br />
Verknüpfung und Häufung von Staats- und Parteiämtern hat zu einer massiven<br />
Unterwanderung aller staatlichen Ebenen durch Parteifunktionäre geführt, die<br />
im Zweifelsfall ihrer Partei zum Dank für den innegehaltenen Posten verpflichtet<br />
sind und diesen Dank durch Parteiloyalität und vorauseilenden Gehorsam in<br />
Sachfragen wieder abstatten. Damit bilden sie einen Staat im Staate, und bei<br />
der ihnen zugemuteten zwiefachen Loyalität bleibt die Treue zum Gemeinwohl<br />
zwangsläufig zurück, wenn die Wiederwahl oder der Verbleib in einem Amt<br />
von der Parteigunst abhängen und nicht von staatlichen Leistungsmaßstäben.<br />
Über die Amtsfunktionen üben die Parteien nach außen Macht aus, und nach<br />
innen dient ihr Vergabemonopol dazu, die Amtsträger an die Partei zu binden.<br />
Diese Übelstände zu beklagen, ist bereits Allgemeingut geworden. Bei häufig<br />
fehlender Fachkompetenz verdanken viele Amtsträger ihre Macht nur ihrer Partei.<br />
Damit ist ihr Wohl und Wehe untrennbar mit dem Status quo des Parteienstaats<br />
verbunden. Hier setzen Reformvorschläge an und fordern die Besetzung<br />
von Ämtern nach Qualifikation und die Ergänzung der Führungsschicht<br />
durch Fachleute 440 , als ob das nicht durch Art.33 GG ohnehin geltendes Recht<br />
436 So Leif S.33 unter "Reformrezepte gegen Politikverachtung"; ähnlich Scheuch, Cliquen S.122<br />
"Thesen zu einer strukturellen Erneuerung der politischen Führung" und Vierhaus S.475 "Wege<br />
zur Entflechtung von Staat und Parteien".<br />
437 Leif, Hoffnung auf Reformen, S.33.<br />
438 Arnim, FAZ 13.7.1993; ders.FAZ 27.11.1993.<br />
439 BVerfG a.a.O. NJW 1992, 2545 f.<br />
440 Scheuch, Cliquen S.114.