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pdf-Version - Klaus Kunze

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entsetzlicher Irrtum! 400 Wirklich offen ist es weder verfassungsrechtlich noch<br />

soziologisch. Nach dem Urteil des Soziologen Erwin Scheuch hat sich der Bonner<br />

Staat zu einem selbstreferentiellen Feudalsystem verfestigt, dessen<br />

"politische Klasse" ein Eigenleben führt, nur noch ihren eigenen Gesetzen gehorcht<br />

und nur demjenigen Zutritt zur Macht gewährt, der so wird wie sie. Besonders<br />

hartnäckig verteidigt sie ihr faktisches Monopol der Verfassungsgesetzgebung<br />

und -auslegung; in ihr stabilisiert sich der Kernbereich ihrer Macht, den<br />

sie wie ein Perpetuum mobile in alle Zukunft unveränderbar wissen wollen,<br />

unveränderbar selbst durch das angeblich souveräne Volk.<br />

Die liberale Demokratie á la Bonn hat sich in ihrer eigenen logischen Falle<br />

gefangen: Mit Recht erkennt sie das Erfordernis der immerwährenden Änderbarkeit<br />

politischer Lösungsstrategien. Die Möglichkeit der Veränderung müsse<br />

garantiert sein; das System müsse rechtlich und institutionell immer für bessere<br />

Lösungen offen sein. 401 Das sei in der "pluralistischen Demokratie", und nur in<br />

ihr, der Fall. Daher dürfe alles verändert werden, nur das parlamentarische System<br />

nicht. Die logische Fehlleistung besteht darin, die Veränderbarkeit dadurch<br />

erreichen zu wollen, nur ein System für anpassungsfähig zu erklären,<br />

aber die Veränderung zu jedem anderen System auszuschließen. Flexibilität<br />

und Änderbarkeit werden dadurch aber nicht erreicht, sondern gerade<br />

verhindert. Möglich sind hier nur kleine Korrekturen. Der denkbare Fall einer<br />

tiefgreifenden Änderung, ein wirklicher Systemwandel, soll verhindert werden.<br />

In der Wirklichkeit ändert sich aber sowieso immer alles irgendwann, ob ein<br />

Gesetz es für unabänderlich erklärt oder nicht. Auf Dauer hält die Realität sich<br />

nicht an papierene Verfassungen. Gerade diesen normalen Prozeß sucht das<br />

Grundgesetz mit seinen Ewigkeitsklauseln zu stoppen. Da der Fortgang der Geschichte<br />

sich aber durch Ewigkeitsklauseln noch nie hat aufhalten lassen, wird<br />

die Zeit auch weiterhin über alle angemaßten menschlichen Eitelkeiten und<br />

Ewigkeitsansprüche hinwegschreiten.<br />

Das Rad der Geschichte dreht sich unaufhaltsam weiter. Völker kommen<br />

und gehen - Systeme kommen und gehen. Nur eine Zeitlang kann sich<br />

menschlicher Wille dieser Gesetzmäßigkeit entgegenstemmen: Jede einmal in<br />

den Besitz der staatlichen Machtmittel gelangte Gruppe wird diese festzuhalten<br />

trachten. 402 Schon Theophrast bemerkte, der größte Ehrgeiz der die höchsten<br />

400 Zur politischen Klasse Bonns als geschlossenes System vgl. C.v.Schrenck-Notzing, Editorial,<br />

Criticón 1992,51.<br />

401 Vgl. z.B. bei Dettling, S.89.<br />

402 Michels, Soziologie, S.360.

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