pdf-Version - Klaus Kunze
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Machtgruppen. Nach Lorenz von Stein besteht das innerste Prinzip des Gesellschaftlichen<br />
in der Unterwerfung der Einzelnen unter die vielen anderen Einzelnen.<br />
Es führt also notwendig zu Unfreiheit. Es steht damit im direkten Widerspruch<br />
zum Prinzip des Staates als der sittlich verantworteten Freiheit und<br />
damit dem wahren Willen und Wohl der Allgemeinheit. Während daher das<br />
Prinzip des Gesellschaftlichen das Interesse ist, ist das des Staates die Freiheit.<br />
186 Dazu ist er da, er ist nicht Selbstzweck. Freiheit im neuzeitlichen Sinne<br />
bedeutet, den Bürger als Staatsbürger von gesellschaftlichen Zwängen zu<br />
befreien.<br />
Beide Prinzipien - Staat und Gesellschaft - haben ihre Daseinsberechtigung.<br />
Daher darf keines das andere vernichten. Menschen sind von Natur aus Einzelpersönlichkeiten<br />
und Gemeinschaftswesen. Als auf Individualität bedachte<br />
Einzelne bilden sie in ihrer Summe eine Gesellschaft; insoweit sie aber<br />
sozialverbunden und -bedürftig sind, bilden sie Gemeinschaften wie Familie<br />
und Staat, die mehr bedeuten als die Summe ihrer Teile, und sind auf diese bezogen.<br />
Die Gesellschaft ist das Innenleben der Gemeinschaft. Beide Aspekte<br />
menschlicher Existenz sind gleichermaßen real und in jedem Menschen<br />
vorhanden. Sozialverbundenheit und Einzelpersönlichkeit sind zwei ergänzungsbedürftige<br />
Aspekte des Menschen und verkörpert in Staat und Gesellschaft.<br />
Keiner dieser Aspekte darf extremistisch verabsolutiert werden. Trotz<br />
seiner Eigenständigkeit braucht der Mensch die Gemeinschaft, ist auf sie bezogen<br />
und bleibt daher Mensch in der Gemeinschaft. 187 Die Bindung an die im<br />
Staat verkörperte Gemeinschaft verhindert, daß Freiheit zur egozentrischen<br />
Willkür wird. Der liberale Anspruch auf individuelle Autonomie läuft aber in<br />
letzter Denkkonsequenz auf bindungslose Willkür hinaus und wird von Niklas<br />
Luhmann mit Recht unter die politischen Utopien eingeordnet. 188<br />
Vor der modernen Einsicht in die Doppelnatur jedes Menschen als Einzel-<br />
und Sozialwesen gingen der historische Konservativismus der mittelalterlichen<br />
societas civilis bis in die Zeit der Gegenrevolution 189 sowie später der Nationalsozialismus<br />
190 davon aus, daß die Menschen von Natur aus Glieder objektiver<br />
Ordnungen sind; er ließ deshalb die individuelle Selbstbestimmung, das heißt<br />
die Entfaltung der Persönlichkeit, nur unter Einfügung in die gesellschaftlichen<br />
186 Hornung, Criticón 1980, S.58 nach Lorenz von Stein.<br />
187 BVerfG E 4,15,16; 7,205; 18,267,273; 24,144.<br />
188 Luhmann, FAZ 9.6.1994.<br />
189 Kondylis, Konservativismus, S.36, 63, 80 ("ewige Seinsordnung"), 161 ff., 168.<br />
190 Huber, Deutsche Juristen-Zeitung 1934,950 (956, 960).<br />
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