pdf-Version - Klaus Kunze
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Es ist daher wenigstens so viel Staat erforderlich, daß die institutionelle<br />
Sklerose in gemeinverträglichen Grenzen gehalten und ein Gleichgewicht zwischen<br />
berechtigten Sonderinteressen und dem Allgemeinwohl erzielt werden<br />
kann. Die ihrer Natur nach dem Gemeinwohl abträglichen ökonomischen Sonderinteressen<br />
dürfen sich nicht vollständig durchsetzen. Es ist die Grundüberzeugung<br />
der liberalen "Laissez-faire"-Ideologie, daß jene Regierung am besten<br />
ist, die am wenigsten regiert; die Märkte würden das Problem lösen, wenn die<br />
Regierung sie nur in Ruhe ließe. In den volkstümlichsten Darstellungen dieser<br />
Ideologie gibt es einen Monodiabolismus, und der Teufel ist immer der Staat.<br />
Wenn dieser Teufel in Ketten gehalten würde, gäbe es einen fast utopischen<br />
Mangel an Sorgen um andere Probleme. In Wahrheit findet aber oft auch dann<br />
kein freier Wettbewerb statt, wenn die Regierung nicht interveniert. Der Staat<br />
ist keineswegs die einzige Ursache von Zwang oder sozialem Druck in der Gesellschaft.<br />
348<br />
Aus der Welt zu schaffen sind Gruppenegoismen allerdings prinzipiell nicht,<br />
weil interessenorientiertes Handeln der Natur des Menschen entspricht. Konservative<br />
Konzepte müssen das als gegeben hinnehmen, halten sie sich doch<br />
selbst ihren anthropologischen Realismus zugute. Es gilt daher Wege aufzuzeigen,<br />
die Verbändeegoismen zu zähmen und gemeinwohlkonform in das Verfassungssystem<br />
zu integrieren. Da die erkannten Mängel ganz überwiegend struktur-<br />
und systembedingt sind, gilt es, deshalb, die Strukturen zu ändern. 349 Dagegen<br />
wäre der Versuch einer Unterdrückung bürgerlicher und wirtschaftlicher<br />
Interessenvertretung mit dem natürlichen Bedürfnis des Menschen nach Gruppenbildung<br />
und seiner zu achtenden Freiheit, sich mit Menschen gleichen Interesses<br />
zu verbinden, unvereinbar.<br />
DIE ZIVILRELIGION<br />
Der Liberalismus wird weltanschaulich totalitär. Die besondere Gefährlichkeit<br />
des Parteienstaates beruht auf der ideologischen Homogenität seiner Staatsparteien<br />
und dem von ihnen ausgeübten Gesinnungsdruck. Nach Kelsen möchte<br />
die liberale Demokratie gern "der Ausdruck eines politischen Relativismus und<br />
einer wunder- und dogmenbefreiten, auf den menschlichen Verstand und den<br />
348 Olson, S.233.<br />
349 Arnim, FAZ 13.7.1993.