pdf-Version - Klaus Kunze
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Heute wird die fehlende Gemeinwohlorientierung allgemein beklagt. 324 Der<br />
Bürger kann Entscheidungen von Amtsträgern nur akzeptieren, wenn er darauf<br />
vertrauen darf, daß diese auf dem Gemeinwohl und nicht auf privaten Interessen<br />
beruhen. Das Vertrauen des Volkes in seine Repräsentanten ist die entscheidende<br />
Legitimationsgrundlage und -voraussetzung einer repräsentativen<br />
Demokratie. 325 Ohne dieses Vertrauen denaturiert sie zu einem inhaltslosen,<br />
technokratischen System. 326 Diese Inhaltsleere und die ausdrückliche Weigerung<br />
des "pluralistischen" Liberalismus zu überindividueller Sinnstiftung haben<br />
den Weg in die Korruption unentrinnbar vorgezeichnet: Blind gemacht für die<br />
Belange des ganzen Volkes, wurde der Bürger in einer Jeder-gegen-jeden-Gesellschaft<br />
auf sich selbst zurückgeworfen. "In einem als 'liberal'<br />
mißverstandenen Individualismus kapseln sich Individuen und Kleingruppen<br />
voneinander ab, um ohne Rücksicht auf die Interessen der größeren<br />
Gemeinschaft ihre Eigeninteressen durchzusetzen." 327 Massenhaft produzierte<br />
das System den Menschentyp, den es zu seinem Funktionieren braucht: den<br />
Steuerzahler, den Kunden, den Wähler, den Verbraucher - den Untertan. In einer<br />
anonymen Massengesellschaft anonymer Mächte, deren Walten er immer<br />
weniger begreift, fehlt ihm das Ethos, sich konstruktiv als bewußter Teil eines<br />
größeren Ganzen zu verstehen - und umso leichter wird er manipulierbar.<br />
Die Parteien haben ihre Beute so gesichert, daß werden muß wie sie, wer an<br />
ihr Anteil haben will. 328 "Was ist das für ein System," fragt der<br />
Radikaldemokrat Stubbe-da Luz verzweifelt, "in dem sich mit Erfolg nur solche<br />
Menschen zeitweise zu widersetzen vermögen, die aus demselben Holz<br />
geschnitzt sind wie die Funktionäre?" 329 Das Sozialschmarotzertum, 330 die<br />
Vorteilnahme auf Kosten anderer, wurde zur Existenzfrage für Millionen. Der<br />
Fehler liegt im System: Die heutige liberale Zerrform der "Demokratie" steht<br />
am Kulminationspunkt einer Schwingung, 331 der sich auf die Formel "Du bis<br />
alles, dein Volk ist nichts" bringen läßt und dem das frühere "Du bis nichts,<br />
324 Anonymus, in: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 1988, S.63.<br />
325 Anonymus, ZRP 88, 63; Hennis, Amtsgedanke und Demokratiebegriff; Herzog, Staatslehre,<br />
S.173; ebenso Jäde, Die Lebenslüge der Demokratie, S.108.<br />
326 Anonymus, ZRP 88, 63.<br />
327 Eibl-Eibesfeldt, Wider die Mißtrauensgesellschaft, S.85 f.<br />
328 Lothar Orzechowski, Gesicherte Beute, in: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine 20.3.1992.<br />
329 Stubbe-da Luz, Parteiendiktatur,1994, S.236.<br />
330 Hildebrandt, Der Schmarotzer, S.50 (51).<br />
331 Konrad Lorenz, Die acht Todsünden, S.57.