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pdf-Version - Klaus Kunze

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Weise - was auch immer sich der einzelne darunter vorstellen mag - zu leben.<br />

Dasselbe gilt für französische, belgische oder italienische Liberale entsprechend.<br />

Der Liberale will zuallererst Kosmopolit sein, und wenn er deutsch ist,<br />

leidet er besonders darunter, vielleicht nicht genug Weltbürger zu sein, und<br />

macht das durch überbetonten Internationalismus wett.<br />

Jedes politische und gesellschaftliche System gibt Antworten nur auf ganz<br />

bestimmte, als drüc??kend empfundene Fragen. Wo das eine Konzept seine<br />

Stärken hat, weist das andere Lücken auf. Eine Herrschaftsordnung, die alle<br />

denkbaren Probleme in gleich befriedigenderer Weise zu lösen vermöchte, hat<br />

es noch nicht gegeben. So gibt auch der Liberalismus nur Antworten für Menschen<br />

mit ganz spezifischen Interessen und nur auf ganz bestimmte Fragen;<br />

andere Probleme nimmt er als solche überhaupt nicht wahr. Funktionell ist der<br />

typisch liberale ökonomische Reduktionismus nichts weiter als die Herrschaftsideologie<br />

der ökonomisch Starken gegenüber den ökonomisch<br />

Schwachen. Sie redet ihnen ein, das freie Walten rein ökonomischer Gesetze<br />

führe auch zu ihrem Vorteil, und diesen Vorteil sieht er ausschließlich im Geldverdienen:<br />

So bezeichnet Fukuyama ihn ganz richtig als dasjenige<br />

"Regelsystem, in dem das materielle Eigeninteresse und die Anhäufung von<br />

Reichtum als legitim gelten." 417<br />

Überdies verharrt er als historisch bedingte Antwort des Bürgertums des 19.<br />

Jahrhunderts in einer naiven Animosität gegen alles Staatliche, was als situationsbezogene<br />

Reaktion auf die vergangene Zeit des Fürstenabsolutismus auch<br />

einmal sinnvoll gewesen war. Alles liberale Pathos richtet sich rein destruktiv<br />

gegen das, was der Liberale als Einengung seines persönlichen Freiraumes<br />

empfindet, 418 aber nie konstruktiv auf eine Sache. Der Liberale ist ein Wesen<br />

der Negation: Er will die Abwesenheit von staatlicher Zensur, die Aufhebung<br />

strafrechtlicher Verbote wie dem der Majestätsbeleidigung, der Kuppelei, der<br />

Homosexualität, der Unzucht mit Kindern, der Abtreibung, des Ehebruchs.<br />

Dagegen ist es noch keinem Liberalen gelungen, einmal positiv zu bestimmen,<br />

wofür er eigentlich eintritt außer für seinen Anspruch, ungehemmt seinen<br />

Eigeninteressen nachzugehen. Der Liberalismus und seine Inkarnationen, die<br />

Marktwirtschaft und der Parlamentarismus, sind Antworten auf Fragen von vorgestern,<br />

nämlich als übermächtig empfundene staatliche Machtentfaltung. Sein<br />

Rezept erschöpft sich in der Stereotype, den Staat möglichst machtlos und gering<br />

zu halten. Weil aber ohne Schutz eines neutralen Staates der Starke immer<br />

417 Fukuyama, Die Zukunft des Krieges, FAZ-Magazin 16.12.1994, S.16 ff. (17).<br />

418 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, S.70.

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