pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
IM LABYRINTH DER MÖGLICHKEITEN<br />
LÖSUNGSSTRATEGIEN DES LIBERALISMUS<br />
Am Ende der Geschichte?<br />
115<br />
Wie weiße Mäuse im Labor den Ausweg aus einem künstlichen Labyrinth<br />
suchen und immer wieder in Sackgassen scheitern, suchen die Menschen mit all<br />
ihrem Scharfsinn den Weg aus dem Labyrinth der politischen Möglichkeiten.<br />
Die Hauptstraßen heißen Monarchie, Aristokratie und Demokratie, und von ihnen<br />
zweigen unzählige Nebenwege und kleine Pfade nach "rechts" und "links"<br />
ab, aber auch nach oben oder unten. Jeder Abzweig des Labyrinths steht für ein<br />
Denkmodell, eine rational ausgeklügelte Strategie, die Probleme des menschlichen<br />
Zusammenlebens in den Griff zu bekommen. Die meisten Varianten sind<br />
nach dem Prinzip von "Versuch und Irrtum" schon ausprobiert und in irgendeiner<br />
historischen Situation einmal verworfen worden. So erstarb nach 1918 das<br />
Interesse am monarchischen Gedanken, 1945 empfand man den Nationalsozialismus<br />
als widerlegt, und in den 1980er Jahren erlosch die Faszination des marxistischen<br />
Denkgebäudes.<br />
Weil der liberale Parlamentarismus das Glück hatte, weder 1945 militärisch<br />
besiegt noch 1989 wirtschaftlich bankrott gegangen zu sein, feiern seine Verfechter<br />
ihn als geschichtlichen Kulminationspunkt und als vermutliches Ende<br />
der Geschichte überhaupt. Der derzeit bekannteste Vertreter dieser These,<br />
Francis Fukuyama, sieht die menschliche Entwicklung als lineare Entwicklung<br />
mit einem Anfangs- und Endzustand an, und diese Linie soll natürlich aufwärts<br />
führen. Ähnlich Hegel und Marx sieht Fukuyama Geschichte als zwangsläufigen<br />
Geschehensablauf von den steinzeitlichen Bauernkulturen über die Monarchien<br />
bis zu einem glücklichen "Endzustand" vor seinem geistigen Auge abrollen,<br />
414 und damit sei der Ausgang aus dem Labyrinth endlich erreicht.<br />
Das hört sich logisch an, vor allem, wenn man zufällig in einem liberalen<br />
Staat, einer liberalen Weltgegend und einer Zeit lebt, die gerade den Zusammenbruch<br />
des konkurrierenden Sowjetsystems erlebt hat. Solche "goldenen<br />
Zeitalter" hat es schon öfter gegeben: Die Antike erinnerte sich des ihren;<br />
Wilhelm II. hat uns "herrlichen Zeiten" entgegengeführt; 1933 brach ein "tau-<br />
414 Fukuyama, Der Mensch braucht das Risiko, S.256; ders. Das Ende der Geschichte.