pdf-Version - Klaus Kunze
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schaftsmacht ausüben und ihr zugleich als Regierte unterworfen sind, ist im<br />
Massenzeitalter praktisch und theoretisch irreal und daher eine nicht einlösbare<br />
Utopie. 4 Ohne Über- und Unterordnung läßt sich überhaupt keine Staatsordnung<br />
errichten. Da nicht wirklich Alle alles entscheiden können, läßt sich eine<br />
Regierungsform nicht anders als durch Führung oder Herrschaft einzelner Personen<br />
oder einzelner Gruppen denken. Auch die Bundesrepublik ist keine<br />
"herrschaftsfreie Gesellschaft", sondern gründet sich auf die Herrschaft der<br />
Parteien durch den Bundestag. Robert Michels formulierte treffend, daß die Organisation<br />
die Mutter der Herrschaft der Gewählten über die Wähler ist. Die<br />
"Ungläubigen an den Gott der Demokratie" werden nicht müde, darauf hinzuweisen,<br />
daß auch unter demokratischen Verhältnissen nur Wenige wirkliche<br />
Macht ausüben. 5 "Daß das Volk in pyramidenförmigem Aufbau sich selbst<br />
regiere", bezeichnete Edgar Julius Jung 1930 treffend als "ein witziges Märchen."<br />
6 Viele westliche Demokratien sind der Regierungsform nach Parlamentarismen,<br />
in denen nach einem ausgeklügelten Auszählverfahren Repräsentanten<br />
gewählt werden, die über die Repräsentierten herrschen, aber keinesfalls<br />
Staaten, in denen das Volk persönlich über sich selbst herrscht oder gar herrschaftsfreie<br />
Gesellschaften. Die Macht geht nur vom Volk aus und damit von<br />
ihm weg. Die Herrschenden nehmen für sich in Anspruch, im Sinne des Volkes<br />
zu entscheiden; gewiß aber wird über und keineswegs durch das Volk geherrscht.<br />
Mit Demokratie im ursprünglichen Sinne hat die parlamentarische Regierungsform<br />
also nichts zu tun. Wer den Parlamentarismus "Demokratie" nennt,<br />
verwechselt die Staatsform mit der Regierungsform und mit der weltanschauliche<br />
Rechtfertigung der Staatsgewalt: Staatsformen gibt es zwei, nämlich Monarchie<br />
oder Republik. Die innere Rechtfertigung der Republik gründet auf den<br />
Glauben das Volk und seine Souveränität über sich selbst. Damit über die<br />
Regierungsform der Republik aber noch nichts gesagt: Auch ein Monarch kann<br />
sich einer Parlamentsregierung bedienen, während eine Republik ebenso von<br />
einem Einzelnen regiert werden kann wie von einer Ratsversammlung oder - in<br />
einer kleinen Stadtrepublik etwa - vom Volk selbst, das sich dann eben für alle<br />
Entscheidungen versammeln und abstimmen muß. Nur diese letzte Regierungsform<br />
ist die eigentlich demokratische. Für eine Zukunft, in der jeder Bürger<br />
seinen Computeranschluß zum Staat besitzen könnte, können wir uns vor-<br />
4 Ebenso nebst vielen: Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.6, S.8,15 f.<br />
5 Michels, Soziologie S. 370, S.351.<br />
6 E.J. Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen. S.286.<br />
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