pdf-Version - Klaus Kunze
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und erniedrigt die Menschen, ohne sie zu quälen." 142 Der "Despotismus der<br />
Vielen" war in Montesquieus "Augen nicht viel besser als die Despotie des<br />
Einen". 143<br />
Diesen Beobachtungen entspricht weitgehend der politische Alltag der Bundesrepublik<br />
und markiert eine der beiden entscheidenden Einbruchstellen des<br />
Parteienstaats in die gewaltenteilende Verfassungsordnung, die deshalb, jedenfalls<br />
im klassischen Sinne, nicht mehr funktioniert. Dem englischen Vorbild<br />
folgend 144 sind die gesetzgebende Gewalt und die Spitze der Exekutive in Bund<br />
und Ländern nämlich in doppelter Weise miteinander verschmolzen:<br />
Zum einen wird nach Art.63 und 67 GG der Kanzler vom Bundestag gewählt<br />
und kann von ihm jederzeit durch einen anderen ersetzt werden. Durch<br />
diesen Zustand ist die Bundesregierung (Art.62 GG) technisch auf die Funktion<br />
eines Parlamentsausschusses beschränkt. Da auch der Kanzler selbst - nicht<br />
zwangsläufig rechtlich, aber praktisch - Parlamentsmitglied ist, rechtfertigt sich<br />
für dieses Regierungssystem der Begriff Parlamentsregierung. Dieses<br />
parlamentarische Regierungssystem ist nicht zu verwechseln mit der parlamentarischen<br />
Demokratie. 145 Der erste Begriff ist eine extreme Unterform des<br />
zweiten. Es widerspricht der Lehre von der Gewaltenteilung und verzerrt diese<br />
bis zur Unkenntlichkeit. 146 Hier ist das Volk nicht, wie in der monarchischen<br />
Regierungsform, durch einen König repräsentiert; es ist auch nicht als handelnde<br />
politische Einheit - demokratisch - mit sich selbst identisch; vielmehr ist<br />
die Herrschaft des Parlaments im Prinzip ein Fall von Aristokratie, oder, in der<br />
entarteten Gestalt, eine Oligarchie. 147 Wenn die Exekutive von der Legislative<br />
abhängig ist, besteht die Gewaltentrennung nur dem Namen nach und erfüllt ihren<br />
Zweck nicht. 148<br />
Zum anderen sind Exekutive und Legislative dadurch machtmäßig verbunden,<br />
daß sie beide unter dem beherrschenden Einfluß einer Partei oder Parteien-<br />
142 Göring, Tocqueville und die Demokratie.<br />
143 Kondylis, Montesquieu, S.94.<br />
144 Vgl. Emil Hübner, Ursula Münch, Das politische System Großbritanniens, Eine Einführung,<br />
München 1998: Die Regierung wirke als Exekutivausschuß des Parlaments, der mit Hilde seiner<br />
Mehrheit im Unterhaus auch über das legislative Recht verfügt. Die Gewaltenteilung in ihrer<br />
reinen Form existiere schon lange nicht mehr.<br />
145 Roman Herzog, in M-D-H, Art.20 GG, II. Rdn.78, 79.<br />
146 Roman Herzog, in M-D-H, Art.20 GG, V. Rdn.28 unter c).<br />
147 Carl Schmitt, Verfassungslehre, S.218.<br />
148 Hamilton, Die Federalist-Artikel, S.435.<br />
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