pdf-Version - Klaus Kunze
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allem Fleiß sucht der Liberale ein Gleichgewicht zu erreichen. "Nur für eine<br />
Macht hat die liberale Schule das dieser entsprechende Gegengewicht nicht<br />
gesucht: für die Macht der Korruption." 379<br />
PANTA RHEI<br />
Fehlt äußerer Zwang, hat jedes Volk die Staatsform, die es verdient. Gegen<br />
den entschiedenen und anhaltenden Widerstand einer großen Mehrheit hat sich<br />
noch kein System auf Dauer halten können. Die Situationsbezogenheit und Veränderungsbedürftigkeit<br />
der Staatsform wird namentlich an Beispielen aus der<br />
Antike deutlich, z.B. an den beiden sich in ihrer Macht ausbalancierenden Konsuln<br />
380 der römischen Republik, 381 die in Notzeiten einem ernannten Diktator<br />
auf Zeit wichen, 382 oder am Heerkönigtum der Germanen: Nur solange kriegerische<br />
Verwicklungen es erforderten, wählte die Landsgemeinde einen Herzog<br />
als militärischen Leiter, 383 dessen Amt im Frieden wieder endete. Die<br />
germanische Urverfassung ließ für eine Herrschergewalt einzelner keinen<br />
Spielraum. Das Staatsoberhaupt war die Landsgemeinde. Schilderhebung und<br />
vorhergetragene Heerfahne symbolisierten den kriegerischen Charakter des<br />
Amts. 384 Das Herzogtum bedeutete, verfassungspolitisch gesehen, den Ausnahmezustand.<br />
385 Es läßt sich allgemein der Satz aufstellen, daß ein Gemeinwesen<br />
umso straffer organisiert sein muß, je existenzieller eine innere oder äußere<br />
Bedrohung ist. Die Einbuße an individueller Freiheit wird nur hingenommen,<br />
solange die Gemeinschaft stark sein muß, um Leben und Freiheit aller<br />
einzelnen zu schützen. So ist Staatlichkeit stets zweckbezogen, und Zweck kann<br />
379 Donoso Cortés, Essay, S.117.<br />
380 Jeder Konsul hatte gegen den anderen das Ius intercedendi, konnte also ohne Begründung die<br />
Amtshandlung des anderen verhindern, vgl. Posener, Einführung in die Rechtswissenschaft und<br />
Rechtsgeschichte, S.109.<br />
381 Ähnlich in Deutschland reichsstädtische Zunftverfassungen wie die der freien Reichsstadt<br />
Köln von 1396 mit zwei Bürgermeistern (vgl. Stelzmann, Geschichte der Stadt Köln, S.134;<br />
allgemein: Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, Kap. 36 II. 3).<br />
382 Posener, Einführung S.108 f.<br />
383 Posener, Einführung, S.178;<br />
384 Amira, Grundriß, § 45, S.149 f.<br />
385 Mitteis-Lieberich, Kap.8 II., S.27.