pdf-Version - Klaus Kunze
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durchziehen die ganze Struktur unserer Gesellschaft bis tief hinunter in das seiner<br />
Idee nach doch ganz unpolitische Vereinsleben." 622<br />
Die Allgewalt der Parteien kann nur durch eine umfassende Rechtsreform<br />
gebrochen werden, die sie auf ihre verfassungsmäßige Rolle zurückführt. Als<br />
Ausdruck gesellschaftlicher Selbstorganisation sind Parteien für ein Gemeinwesen<br />
freier Bürger geradezu kennzeichnend. Und das Recht, sich mit Gleichgesinnten<br />
zusammenzuschließen, entspringt einem so grundlegenden menschlichen<br />
Bedürfnis, daß es gegen jede totalitäre oder absolutistische Versuchung<br />
verteidigt werden sollte. Hier beginnt die Berechtigung des Parteienwesens,<br />
und hier endet ihr legitimer Entfaltungsspielraum aber auch schon. Wo immer<br />
sich eine Partei darüber hinaus den Zugriff auf staatliche, also der Allgemeinheit<br />
dienende Machtmittel erlaubt und dadurch die unabdingbare Neutralität<br />
des Staates in Frage stellt, darf dieser illegitime Übergriff nicht legalisiert werden.<br />
Weder dürfen gesellschaftliche Teilgruppen auf Kosten des Ganzen parasitieren,<br />
noch gar die erbeuteten Geldmittel dazu mißbrauchen, sich bei ihren Opfern,<br />
den steuerzahlenden Bürgern, in teueren Wahlkämpfen als deren Wohltäter<br />
aufzuspielen. Durch die Verfügung über das Geld der nicht parteigebundenen<br />
Bevölkerung üben die Parteien Macht über die Bürger aus. 623 Daß die<br />
Parteien das Geld der Allgemeinheit auch wieder nur für die Allgemeinheit<br />
ausgeben dürfen, wenn sie in den Parlamenten Haushaltsgesetze beschließen,<br />
und daß an ihren Händen kein Geld kleben bleiben darf, muß im Grundgesetz<br />
ergänzt und zu einer Staatsfundamentalnorm erhoben werden: Jedwede Finanzierung<br />
politischer Parteien aus Steuergeldern und jedwede steuerliche Bevorzugung<br />
von Parteien ist zu verbieten.<br />
Auch das zweite, entscheidende Herrschaftsinstrument der Parteien über das<br />
Volk muß ihnen aus der Hand genommen werden: die Parteibuchwirtschaft, das<br />
Bilden parteilicher Metastasen in der öffentlichen Verwaltung und die gesamte<br />
damit verbundene Pfründenwirtschaft, die Versorgung von Parteigängern mit<br />
Staatsämtern. Wenn es nicht mehr von persönlichem Vorteil sein wird, Parteigenosse<br />
zu sein, wird auch niemand mehr systematisch zurückgesetzt werden,<br />
der dies nicht ist. "Wes' Brot ich eß, des' Lied ich sing?" - das wird in Staatsverwaltung<br />
und Massenmedien hoffentlich nicht mehr nötig sein.<br />
Nach liberaler Doktrin sollten die Parteien eine Brückenfunktion zwischen<br />
Staat und Gesellschaft wahrnehmen: Als gesellschaftlich frei gebildete Organisationen<br />
mündiger Bürger sollten sie gleichsam mit ihren Wipfeln in die Sphäre<br />
622 R.v. Weizsäcker, Im Gespräch, S.146.<br />
623 Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S.1.