pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
42<br />
___________________________________________________________<br />
Parteizentralen zweifellos eine sehr aufgeklärte, wenn auch die typischen Ohnmachtsgefühle<br />
hervorrufende Diktatur dar." 173<br />
Dies ist umso bedenklicher, weil sich die zwei großen Parteien programmatisch<br />
einander annähern. 174 Nach Parallelen zwischen den Blockwahlen in der<br />
DDR und Blockwahlen innerhalb der Bonner Parteien befragt, antwortete der<br />
Soziologe Erwin Scheuch anhand persönlicher Erfahrungen: "Wie in der DDR!<br />
Wir haben noch mehrere Parallelen zur DDR." 175 Vor diesem Hintergrund erscheinen<br />
alle klassischen Gewalten zuzüglich moderner Mediengewalt als in<br />
den Händen eines Parteienkartells, dessen Teilsysteme nach außen hin Schaukämpfe<br />
austragen, inhaltlich aber nicht für Alternativen stehen. Ihr Wahlkampf<br />
ist Schwindel, weil er programmatische Verschiedenheit vortäuscht. "Es ist das<br />
gleiche wie die Kämpfe zwischen gewissen Wiederkäuern, deren Hörner in<br />
einem solchen Winkel gewachsen sind, daß sie einander nicht verletzen können.<br />
Wenn er aber auch nur ein Scheingefecht ist, so ist der doch nicht<br />
zwecklos, [sondern] hilft, die besondere geistige Atmosphäre aufrecht" und ihre<br />
"Gesellschaftsstruktur intakt zu halten." 176<br />
So besteht der Zweck der Großparteien heute hauptsächlich darin, Wahlverein<br />
für den einen oder den anderen Kanzler zu sein - eben Scheuchs Postenverteilungskartell<br />
auf Dauer. In ihrer wechselseitig sich stabilisierenden gegenseitigen<br />
Bezogenheit gleichen sie den drei globalen "Superstaaten" in George<br />
Orwells 1984, die "einander nicht überwinden können, sondern auch keinen<br />
Vorteil davon hätten. Im Gegenteil, solange sie in gespanntem Verhältnis<br />
zueinander stehen, stützen sie sich gegenseitig wie drei aneinandergelehnte Getreidegarben."<br />
177 In Wahlkampfzeiten reduzieren sie und ihre Medienstrategen<br />
die Wahlentscheidung der Bürger gern auf polarisierende Parolen wie "Freiheit<br />
oder Sozialismus" erzeugen operativ den Eindruck eines Kopf-an-Kopf-<br />
Rennens der Kandidaten der Großparteien, um den Wähler in eine Scheinalternative<br />
zu zwingen und die ohnehin kleine Konkurrenz aus dem Wählerbewußtsein<br />
zu tilgen. Im Endeffekt entwickelt Deutschland sich vom partiellen zum<br />
tendenziell totalen Parteienstaat 178 , in dessen Rahmen die Parteien eine schall-<br />
173 Stubbe-da Luz, Parteiendiktatur, 1994, S.49.<br />
174 Vierhaus S.473.<br />
175 Erwin Scheuch, Interview mit EUROPA VORN 15.3.1992, S.2.<br />
176 George Orwell, 1984, a.a.O., S.182.<br />
177 George Orwell, 1984, a.a.O., S.180.<br />
178 Schrenck-Notzing, Abschied vom Parteienstaat, S.9.