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Das Titelbild („Der Baum“) wurde auf einem ... - Afrikanet.info

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2 Der Kontext der théologie sous l’arbre 104<br />

In gewisser Hinsicht ist die afrikanische Zivilisation eine Zivilisation des Symbols.<br />

In dem Maße, wie sich die Beziehungen von Mensch zu Mensch und vom<br />

Menschen zur Natur <strong>auf</strong> der Ebene des Unsichtbaren abspielen (passe par<br />

l’invisible), das der symbolische Ort ist, an dem jede Realität sich in der Gestalt<br />

eines Sinns ereignen/zu <strong>einem</strong> Sinn kommen (advenir à un sens) kann, ist das<br />

wahrhaft Wirkliche/die wahre Wirklichkeit (le vrai réel) unsichtbar und das<br />

Sichtbare nur Schein: Alles ist Symbol. Der Afrikaner lebt demnach in <strong>einem</strong><br />

„Wald von Symbolen“ - die bevorzugte Weise seiner Beziehung zur Welt/zum<br />

Universum. 183<br />

Wie ist diese Äußerung zu verstehen? Ich erkläre sie mir folgendermaßen: <strong>Das</strong> „Unsichtbare“<br />

scheint vergleichbar zu sein mit dem, was Immanuel Kant 184 die Welt der Dinge „an sich“ nannte<br />

und die für uns als solche („an sich“) unsichtbar bzw. einer Erkenntnis unzugänglich ist. Was<br />

unserer Erkenntnis zugänglich ist, ist nicht die Wirklichkeit „an sich“, sondern nur die „Objekte“<br />

unserer Wahrnehmung, wie sie durch den uns zur Verfügung stehenden kategorialen Rahmen<br />

konstituiert werden. Dieser kategoriale Rahmen geht unserer Erfahrung voraus und „be-dingt“<br />

diese als deren transzendentaler Horizont. Sofern EuropäerInnen diese Welt der Erfahrung nicht<br />

für die ganze und ursprüngliche Wirklichkeit halten, sondern sich dessen bewußt sind, daß es<br />

einen Unterschied gibt zwischen der Welt, wie wir sie wahrnehmen und erfahren und einer<br />

„Welt der Dinge an sich“, die vielleicht die ursprüngliche oder auch „wahre“ Wirklichkeit genannt<br />

werden kann, dann ist ihr Bezug <strong>auf</strong> diese wohl in der Regel ein „allegorischer“. D.h., für<br />

Menschen, die von <strong>einem</strong> westlichen Weltbild geprägt sind, sind die „Zeichen“ nur ein Verweis<br />

<strong>auf</strong> eine andere Wirklichkeit oder deren bloßes Abbild. Keineswegs aber wird angenommen, daß<br />

das „Bezeichnete“ <strong>auf</strong> eine gewisse Weise vielleicht selbst im „Bezeichnenden“ enthalten sein<br />

könnte. So kommt es letztlich zu einer Doppelung der Welt: Die sichtbare - nur scheinbare -<br />

Welt steht einer wahren und unsichtbaren - der jenseitigen - Welt gegenüber, die beide nicht<br />

direkt etwas miteinander zu tun haben. 185 Von daher kann es dann auch zu dem Dualismus zwischen<br />

menschlichem und göttlichen Handeln, zwischen menschlicher Geschichte und Heilsgeschichte<br />

kommen. 186<br />

183 „En un sens, la civilisation africaine est une civilisation du symbole. Dans la mesure où le rapport de<br />

l’homme à l’homme, de l’homme à la nature, passe par l’invisible qui constitue le lieu symbolique où<br />

toute réalité peut advenir à un sens, le vrai réel est invisible et le visible n’est qu’apparence: tout est<br />

symbole. L’Africain vit ainsi dans une ,forêt de symboles‘, mode privilégié de sa relation à l’univers“;<br />

ebd.<br />

184 Vgl. Kritik der reinen Vernunft (1781 1 /1787 2 ).<br />

185 Hier stellt sich die Frage, was es bedeutet, daß in unserem Kontext, in dem bekanntlich die „jenseitige<br />

Welt“ praktisch abgeschafft <strong>wurde</strong>, wohl in der Tat die nur „scheinbare“ Welt allgemein als die letzte<br />

Wirklichkeit gilt und von daher kein Bewußtsein um deren Bedingtheit durch unseren transzendentalen<br />

Horizont vorhanden zu sein scheint, der doch die Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung überhaupt<br />

ist. Der Sinn für Transzendenz scheint hier im Gegensatz zu Afrika sehr wenig ausgeprägt zu sein. Gibt<br />

es unter solchen Bedingungen überhaupt die Möglichkeit, damit zu rechnen, daß andere Menschen, die<br />

durch einen anderen kulturellen Kontext geprägt sind, die Wirklichkeit tatsächlich anders wahrnehmen<br />

und erfahren könnten - und nicht nur „schlechter“ oder „primitiver“, weil sie ja noch „unterentwikkelt“<br />

seien? Besteht hier nicht ein gewisser Zusammenhang zwischen <strong>einem</strong> solchen Weltverständnis<br />

und dem europäischen Rassismus oder auch <strong>einem</strong> imperialistischen Habitus?<br />

186 Ein solches „allegorisches“ Verständnis steht sicher auch hinter den Schwierigkeiten mit „klassischen“<br />

Dogmen wie z.B. dem über Jesus Christus als „wahrer Mensch und wahrer Gott“: Wie kann denn allen<br />

Ernstes eine solche Einheit behauptet werden? Wie kann es denn möglich sein, in <strong>einem</strong> wirklichen<br />

Menschen ebenso wirklich auch Gott zu begegnen? - Für ein symbolisches Verständnis bereitet ein solches<br />

Bekenntnis keine Schwierigkeiten. Daß solche Glaubensbekenntnisse in diesem Sinn zu verstehen<br />

sind, drückt sich übrigens noch in ihrer altkirchlichen Bezeichnung als „Symbola“ aus.

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