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Das Titelbild („Der Baum“) wurde auf einem ... - Afrikanet.info

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2 Der Kontext der théologie sous l’arbre 105<br />

Für Afrika gibt es diesen Gegensatz nicht. <strong>Das</strong> Sichtbare und das Unsichtbare lassen sich nicht<br />

trennen, sie sind nur verschiedene Dimensionen der einen Wirklichkeit. Von daher spielen sich<br />

die Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur zunächst einmal<br />

ganz grundlegend <strong>auf</strong> der Ebene des Unsichtbaren - <strong>auf</strong> der Ebene der „Dinge an sich“ - ab.<br />

Dessen scheinen sich AfrikanerInnen grundsätzlich bewußt zu sein, wenn sie sich vorrangig <strong>auf</strong><br />

eine symbolische Weise <strong>auf</strong> die Welt beziehen. Gleichzeitig scheinen sie sich auch dessen bewußt<br />

zu sein, daß die Welt, wie sie diese wahrnehmen und der Sinn, den sie einzelnen Phänomenen<br />

geben, ihre Wahrnehmung und ihre Sinngebung ist - nicht die „Welt an sich“, sondern nur<br />

ihr „Schein“. 187 In diesem Sinn können alle Phänomene als Symbole gelten - „alles ist Symbol“ -<br />

, die zwar einerseits die Form der Wahrnehmung sind, durch die aber andererseits tatsächlich der<br />

Wirklichkeit bzw. der „Welt der Dinge an sich“ begegnet werden kann - freilich gebrochen<br />

durch die Art und Weise des Zugangs. <strong>Das</strong> Symbol ist in diesem Sinn nicht nur ein leeres Zeichen,<br />

das <strong>auf</strong> eine andere - die bezeichnete - Wirklichkeit nur hinweist, das Symbol selbst vermittelt,<br />

sofern mensch sich <strong>auf</strong> es einläßt, den Kontakt zu dieser Wirklichkeit. Indem es diese<br />

vergegenwärtigt, trägt es diese <strong>auf</strong> gewisse Weise in sich. Ein Symbol funktioniert also so, daß<br />

es das, „was fern erscheint, in Beziehung zueinander bringt und miteinander verbunden sein<br />

läßt“ 188 . AfrikanerInnen gehen laut Jean-Marc Ela davon aus, daß das Sichtbare und das Unsichtbare<br />

miteinander kommunizieren können, und zwar vermittels entsprechender Symbole. 189<br />

Dem wird auch dadurch kein Abbruch getan, daß sich über das Unsichtbare nicht verfügen<br />

läßt. 190<br />

Ein symbolisches Weltverständnis ist ein prinzipiell offenes „System“. Es ist sich dessen bewußt,<br />

daß die Wirklichkeit nicht völlig in diesem System <strong>auf</strong>geht, da es immer wieder Neues<br />

geben kann, das bisher noch keine Bedeutung hatte bzw. noch zu k<strong>einem</strong> Sinn gekommen war,<br />

oder etwas, das eines neuen Verständnisses bedarf.<br />

187 AfrikanerInnen scheinen also im Gegensatz zu <strong>einem</strong> westlichen Verständnis weder den „Schein“ für<br />

die „Wirklichkeit“ zu nehmen, noch die „unsichtbare Welt“ - dualistisch - von der sichtbaren zu trennen.<br />

Dies ist im Grunde eine falsche Alternative. Zusammengehalten werden „Welt“ und „Wirklichkeit“<br />

in Afrika durch das Symbol, durch ein symbolisches Weltverständnis und eine symbolische Beziehung<br />

zur Wirklichkeit.<br />

188 „[...] un ,symbole‘ qui rapproche et fait tenir ensemble ce qui paraît lointain“; Ma foi d’Africain, S. 39<br />

(Mein Glaube als Afrikaner, S. 30). - Der Unterschied zwischen <strong>einem</strong> Symbol und einer Allegorie läßt<br />

sich am Beispiel eines Verkehrszeichens verdeutlichen. Steht dieses an einer Straße, an der ich vorbeikomme,<br />

dann bringt es mich zusammen mit der Straßenverkehrsordnung, die so in dem Zeichen selbst<br />

schon - „symbolisch“, aber dennoch nicht weniger wirklich - enthalten ist. <strong>Das</strong> Symbol des Verkehrszeichen<br />

vergegenwärtigt mir also die Straßenverkehrsordnung, wor<strong>auf</strong> ich mich nun einlassen kann<br />

oder auch nicht - das Symbol selbst zwingt nicht. Sehe ich ein solches Straßenschild aber in <strong>einem</strong> Second-Hand-Shop,<br />

dann fungiert es nicht mehr als Symbol, es ist zur einfachen Allegorie, zu <strong>einem</strong> leeren<br />

Zeichen geworden. Es weist zwar noch hin <strong>auf</strong> eine Realität, enthält diese aber nicht mehr in sich.<br />

Es vergegenwärtigt mir diese nicht mehr - höchstens in <strong>einem</strong> rein „spiritualistischen“ Sinn, indem es<br />

meine Gedanken <strong>auf</strong> eine reine Bedeutung lenkt. <strong>Das</strong> Verkehrszeichen als Allegorie stellt aber keinen<br />

wirklichen Kontakt mehr her zwischen mir und der Straßenverkehrsordnung.<br />

189 Vgl. Ma foi d’Africain, S. 44 (siehe oben Anm. 167).<br />

190 Wenn es zutrifft, daß die westliche Identität „wesentlich durch die Haltung des Eroberns und Beherrschens<br />

in mannigfachen [...] Formen geprägt“ ist (LUDWIG RÜTTI, Westliche Identität und weltweite<br />

Ökumene, in: PETER LENGSFELD (Hg.), Ökumenische Theologie. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart u.a. (Kohlhammer),<br />

1980, 285-296, S. 286), dann erklärt sich auch, warum in der westlichen Welt der - unverfügbaren<br />

- „unsichtbaren Welt“ so wenig Beachtung geschenkt wird. Und insofern die westlichen Kirchen<br />

hiervon nicht ausgenommen sind, dann erstaunt es nicht, wenn sie die unsichtbare „Welt“ Gottes<br />

in ein - dualistisch verstandenes - Jenseits verlagern, da zum einen Gott - dorthin abgeschoben - im<br />

Diesseits nun nicht mehr stören kann und zum anderen die diesseitigen sichtbaren - und allegorischen<br />

- „Zeichen“ beherrschbar bleiben bzw. zur Beherrschung verwendet werden können - insofern ein allegorisches<br />

Verständnis (z.B. in Gestalt einer bestimmten Theologie) seinen relativen Charakter - daß es<br />

nur ein möglicher „Zugang“ zur „Wirklichkeit“ neben anderen möglichen Zugängen ist - verschleiert.

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