Das Titelbild („Der Baum“) wurde auf einem ... - Afrikanet.info
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2 Der Kontext der théologie sous l’arbre 85<br />
Aus Afrika eine solche Anklage gegen Gott zu hören, scheint allen Erwartungen zu<br />
widersprechen, insbesondere angesichts dessen, daß „in Schwarzafrika im allgemeinen<br />
die Beziehung des Menschen zum ,Übernatürlichen‘ eine dem sozialen Leben inhärente<br />
Erfahrung ist, untrennbar von dem, was jemand erlebt und tut“ 106 . Es gibt hier kaum<br />
jemanden, der oder die sich nicht <strong>auf</strong> irgendeine Form des „Heiligen“ bezieht: „In<br />
dieser Hinsicht sind die traditionellen Religionen ein Teil des kollektiven Gedächtnisses,<br />
worin - für manche - das Afrika von heute seine Identität findet.“ 107<br />
Diese religiöse Leidenschaft der AfrikanerInnen gerät jedoch in den Verdacht, daß sie<br />
die Menschen entfremdet und sie unfähig macht, aktiv den Schwierigkeiten des Lebens,<br />
dem Elend und der Ungerechtigkeit gegenüberzutreten. Jean-Marc Ela formuliert<br />
diese kritische Anfrage so:<br />
In der Religion, wie sie <strong>auf</strong> der Ebene der im allgemeinen ungebildeten Massen<br />
erfahren wird - impliziert die Beziehung zum Unsichtbaren, die sich in einer<br />
Reihe ritueller Handlungen und Gesten konkretisiert, nicht einen „Providentialismus“,<br />
der letztendlich die Menschen entfremdet und sie angesichts des Elends<br />
und der Ungerechtigkeit in die Resignation treibt? 108<br />
Die Menschen mit ihren schöpferischen Fähigkeiten spielen scheinbar keine Rolle in<br />
<strong>einem</strong> religiösen System, das verspricht, das Gleichgewicht zwischen dem Menschen<br />
und dem Universum wiederherstellen zu können, indem es durch einen rituellen Akt<br />
die Beziehungen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren wieder in Ordnung<br />
zu bringen versucht. In dieser Linie erscheint dann für viele das Opfer für Gott oder für<br />
die Ahnen als die Lösung aller Probleme des täglichen Lebens. Von daher läßt sich der<br />
Einfluß ermessen, den die Religion in <strong>einem</strong> sozio-kulturellen Kontext hat, in dem die<br />
Kommunikation mit dem Unsichtbaren untrennbar zur Lebenswirklichkeit der Menschen<br />
gehört:<br />
Die Rolle der Religion ist von entscheidender Bedeutung in einer Gesellschaft,<br />
die <strong>auf</strong>grund des niedrigen Niveaus der Wissenschaft und Technik von allen<br />
Seiten durch Hunger, Krankheit, Sterblichkeit, etc. ... geplagt wird. Es existiert<br />
ein ganzes System von Riten, die dafür bestimmt sind, vom Himmel ertragreiche<br />
Ernten, die Abwendung von Unheil, den Rückgang einer Krankheit oder die<br />
Verschiebung des Todes zu erhalten. In der Situation <strong>auf</strong> dem Land, wo Millionen<br />
Afrikaner leben, Landwirte oder Viehzüchter, manifestiert sich in der Tat<br />
ein großer Teil des religiösen Lebens in diesen Riten. Ernährung und Gesundheit<br />
sind gefährdet, und diese Bedürfnisse müssen vorrangig durch die Hinwendung<br />
zum Unsichtbaren beantwortet werden, der Quelle allen Segens und von<br />
allem Guten. Angesichts der Schwierigkeiten, seine Existenz zu fristen, tendiert<br />
106 „[...] en Afrique noire en général, la relation de l’homme au ,surnaturel‘ est une expérience inhérente à<br />
la vie sociale, inséparable de ce qu’on vit et de ce qu’on fait“; ebd.<br />
107 „A cet égard, les religions traditionnelles constituent une part de la mémoire collective où, pour certains,<br />
l’Afrique d’aujourd’hui trouve son identité“; a.a.O., S. 52f (African Cry, S. 39).<br />
108 „[...] dans la religion vécue au niveau des masses généralement illettrées, la relation à l’invisible, qui se<br />
concrétise par une série d’actes et de gestes rituels, n’implique-t-elle pas un ,providentialisme‘ qui, à la<br />
limite, aliène l’homme et l’accule à la résignation devant la misère et l’injustice?“; a.a.O., S. 53 (African<br />
Cry, S. 40).