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Das Titelbild („Der Baum“) wurde auf einem ... - Afrikanet.info

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Schluß 238<br />

den Zweck antizipieren müssen - weil in der Tat nur diejenige „Gewalt“ legitim ist, die<br />

den Kreisl<strong>auf</strong> der Gewalt zu durchbrechen vermag (Walter Benjamin 10 )?<br />

Reicht als Urteilskriterium also nicht schon die Unhaltbarkeit, die Einsicht in die Umwälzungsbedürftigkeit<br />

der herrschenden Verhältnisse? Diese Einsicht scheint mir auch<br />

gar nicht das eigentliche Problem zu sein - dieses ist wohl eher der - mangelnde -<br />

Glaube daran, daß sich diese „Umwälzung“ auch tatsächlich bewerkstelligen läßt;<br />

dieser mangelnde Glaube führt dann oft zu Verdrängungen, weil es sich ja nur schwer<br />

aushalten läßt, sein Leben als falsches in falschen Verhältnissen fristen zu müssen,<br />

gegen die anscheinend nicht anzukommen sei; der mangelnde Glaube führt so auch zu<br />

Fatalismus, Passivität bzw. - vermeintlicher - Über-„Aktivität“, die nur verschleiert,<br />

daß uns ein echtes Subjektsein in Wirklichkeit abhanden gekommen ist. Die entscheidende<br />

Frage lautet meiner Meinung nach: Wie kann die Hoffnung neu entfacht werden<br />

<strong>auf</strong> die Überwindung der herrschenden Verhältnisse, wie der Glaube daran geweckt,<br />

daß dies möglich ist, so daß eine Praxis möglich werden kann, die tatsächlich Schritte<br />

in diese Richtung unternimmt - in unserem Erste-Welt-Kontext?<br />

Ideologiekritik bzw. Religionskritik des Kapitalismus ist sicher (nur) ein Schritt: <strong>auf</strong>zuzeigen,<br />

daß die Verhältnisse, wie sie sind, nicht naturgegeben sind - auch wenn es<br />

einen gewissen „Automatismus“ gibt, ein „Selbstläufertum“ mit einer eigenen inneren<br />

Dynamik -, sondern menschengemacht und bestimmten Interessen dienend - was jedoch<br />

nicht „verschwörungstheoretisch“ mißzuverstehen“ ist -, und daß es da eine gewisse<br />

„Mittäterschaft“ gibt, da dieses herrschende System ja nur funktionieren kann,<br />

wenn und weil alle mehr oder weniger mitmachen ...<br />

„Hau ab verdampf - der König Mampf Mampf!“ - so heißt es in <strong>einem</strong> Kinderlied des exilchilenischen<br />

Liedermachers Sergio Vesely: Damit ist angedeutet, daß dieser König nur König<br />

sein kann, wenn er Untertanen hat, die ihre Rolle tatsächlich spielen - verschwinden sie, hören<br />

sie <strong>auf</strong> Untertanen zu sein, dann hört auch der König <strong>auf</strong>, König zu sein, es sei denn er findet<br />

neue Untertanen. Ähnlich verhält es sich übrigens mit dem „Königreich“ Gottes: Ohne „Untertanen“<br />

gibt’s keinen „König“, ergo kein „Königreich“. - Interessant ist hierbei, daß diese „herrschaftliche“<br />

Sprache den Keim ihrer Aufsprengung selbst in sich trägt, dadurch, daß in diesem<br />

Fall der „König“ im „Himmel“ „thront“ (insofern zumindest, als er mit nichts Irdischem gleichzusetzen<br />

ist) und seine „Untertanen“ <strong>auf</strong> der Erde leben - und wenn sie keinen anderen zum<br />

„König“ wollen (vgl. 1 Sam 8), dann gibt es im irdischen „Königreich“ Gottes keinen realen<br />

Herrscher, sondern nur „Untertanen“: Gleiche unter Gleichen!, also keine wirklichen Untertanen,<br />

sondern nur „Untertanen“ im Sinn der „Königsherrschaft“ Gottes, also gegenüber solchen Werten<br />

wie Gleichheit, Freiheit, Gemeinschaftlichkeit, Gerechtigkeit, Herrschaftsfreiheit. „Herrschaft<br />

Gottes“ bedeutet so letztlich Anarchie - im Sinn des Anarchismus, so ausdifferenziert oder<br />

vielgestaltig er auch sein mag; nicht zu verwechseln mit „anarchischen Verhältnissen“, wie z.B.<br />

oft vom kapitalistischen Markt behauptet wird, daß er dies sei, womit in der Regel eher „chaotische<br />

Verhältnisse“ gemeint sind - was ja nur ein Ausdruck dessen ist, daß diejenigen, die den<br />

Begriff „Anarchie“ in diesem Sinn gebrauchen, sich Herrschaftslosigkeit nur als Chaos vorstellen<br />

können, als Bedrohung „geordneter“ Verhältnisse, was bei den einen die ihrer (relativ) privilegierten<br />

Position im Rahmen der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse meint, bei anderen,<br />

weniger Privilegierten, eher Ausdruck der Angst davor ist, ihr Leben in die eigene Hand zu<br />

nehmen.<br />

10<br />

Vgl. WALTER BENJAMIN, Zur Kritik der Gewalt, in: Sprache und Geschichte. Philosophische Essays, Stuttgart<br />

(Reclam), 1992, 104-131 (insbes. S. 127 und S. 130f).

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