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Das Titelbild („Der Baum“) wurde auf einem ... - Afrikanet.info

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3 Hermeneutik und Methode der théologie sous l’arbre - Der epistemologische Bruch 125<br />

Jean-Marc Ela praktiziert einen induktiven und dialektischen Ansatz: Er geht von der<br />

konkreten und alltäglichen Lebenswirklichkeit der Menschen aus und reflektiert diese<br />

theologisch. Zugleich leitet sich sein theologisches Urteil nicht aus einer bestimmten<br />

Dogmatik ab (deduktiver Ansatz), sondern es kommt zustande aus einer Auseinandersetzung<br />

mit der biblischen Tradition als Quelle der theologischen Urteilsbildung, wobei<br />

der aktuelle Kontext ein neues Licht <strong>auf</strong> die alten Texte wirft: Text (Bibel) und<br />

Kontext (afrikanische Lebenswirklichkeit) erhellen sich gegenseitig. Ein besonders<br />

wichtiger Aspekt dieses Ansatzes bei der konkreten Lebenswirklichkeit ist, daß er kein<br />

abstrakt-theoretischer bleibt, sondern in <strong>einem</strong> konkreten Engagement an der Seite der<br />

Armen und Unterdrückten für ihre Befreiung, in <strong>einem</strong> Teilen ihres alltäglichen Lebens,<br />

ihrer alltäglichen Sorgen, Nöte, Probleme, aber auch ihrer Aspirationen, Sehnsüchte,<br />

Hoffnungen und Freuden verwurzelt ist.<br />

Die besondere Betonung der Armen und Unterdrückten und insbesondere ihr „hermeneutischer<br />

Vorrang“ gründet zum einen in der Tatsache, daß die Mehrheit der AfrikanerInnen<br />

in Situationen der Armut und Unterdrückung ihr Leben fristen müssen, zum<br />

anderen in der biblischen Option für die Armen, Schwachen, Erniedrigten, Ausgebeuteten<br />

und Unterdrückten. Diesem Engagement kommt eine epistemologische Funktion<br />

zu: Es ermöglicht die Erkenntnis der gesellschaftlichen Wirklichkeit ebenso wie die<br />

der „Offenbarung“ - letztendlich die Erkenntnis Gottes.<br />

Mit diesem methodologischen Ansatz steht Jean-Marc Ela nicht allein 4 , sondern bewegt<br />

sich im Rahmen einer Strömung, die den „epistemologischen Bruch“ mit der<br />

westlichen akademischen Wissenschaft postuliert. Innerhalb der Theologie wird diese<br />

Position von der Ökumenischen Vereinigung von Dritte-Welt-TheologInnen<br />

(EATWOT) seit ihrer Gründung 1976 vertreten. In der Schlußerklärung der Konferenz<br />

von Daressalam 1976 heißt es:<br />

Die europäischen und nordamerikanischen Theologien dominieren heutzutage<br />

in unseren Kirchen und stellen eine Weise kultureller Beherrschung dar. Man<br />

muß sie als aus der Situation dieser Länder erwachsen verstehen und kann sie<br />

deshalb nicht unkritisch übernehmen, ohne daß wir die Frage der Bedeutung in<br />

4<br />

Jean-Marc Elas befreiungstheologische Hermeneutik ist vergleichbar mit der Hermeneutik der lateinamerikanischen<br />

Theologie der Befreiung, wie sie z.B. LEONARDO und CLODOVIS BOFF in ihrem Buch Wie<br />

treibt man Theologie der Befreiung?, Düsseldorf (Patmos), 1986 (brasil. Orig.: Como fazer teologia da<br />

libertação, Petropolis, 1986), dargelegt haben. Auch sie betonen die fundamentale Bedeutung einer mit<br />

den Armen und Unterdrückten solidarischen und befreienden Praxis als <strong>einem</strong> ersten Schritt, von dem<br />

aus in <strong>einem</strong> zweiten Schritt die Glaubensreflexion folgt. Diese Glaubensreflexion gliedert sich wiederum<br />

in drei Schritte: 1.) die sozio-analytische Vermittlung (Sehen), 2.) die hermeneutische Vermittlung<br />

(Urteilen) und 3.) die praktische Vermittlung (Handeln). Die Gebrüder Boff differenzieren drei Ebenen<br />

der Theologie der Befreiung: die professionelle, die pastorale und die populare Ebene (tabellarische<br />

Übersicht a.a.O., S. 23). Ich würde Jean-Marc Ela nach diesem Modell irgendwo zwischen der professionellen<br />

und der pastoralen Ebene ansiedeln. Zwar professionell ausgebildet und <strong>auf</strong> vielen theologischen<br />

und soziologischen Kongressen anzutreffen, betreibt Jean-Marc Ela Theologie doch mehr im „<strong>info</strong>rmellen<br />

Sektor“, ist stärker der Praxis verbunden und mißt dem prophetischen Element ein größeres<br />

Gewicht zu als es ein rein professioneller Theologe tun würde. Jean-Marc Ela ist v.a. auch in Bibelkreisen<br />

und Basisgemeinschaften unter „einfachen Leuten“ zu finden. Er ist eine Art „Pendler zwischen den<br />

Welten“: zwischen verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten. So kann er einerseits den Armen<br />

eine gewisse Hoffnung schenken, dadurch, daß sich ein so „großer“ Theologe ihnen gleichstellt, andererseits<br />

kann er <strong>auf</strong> diese Weise auch reinen Akademikern die Augen öffnen für die konkrete Lebenswirklichkeit<br />

der „Verdammten der Erde“.

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