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Das Titelbild („Der Baum“) wurde auf einem ... - Afrikanet.info

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3 Hermeneutik und Methode der théologie sous l’arbre - Der epistemologische Bruch 127<br />

3.2.1 Biographischer Hintergrund: Erfahrung einer „persönlichen Befreiung“<br />

Es bleibt ein Erlebnis von unvergleichlichem Wert, daß wir die großen Ereignisse der<br />

Weltgeschichte einmal von unten, aus der Perspektive der Ausgeschalteten, Beargwöhnten,<br />

Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten, kurz der Leidenden<br />

sehen gelernt haben. Wenn nur in dieser Zeit nicht Bitterkeit oder Neid das Herz zerfressen<br />

hat, daß wir Großes und Kleines, Glück und Unglück, Stärke und Schwäche mit<br />

neuen Augen ansehen, daß unser Blick für Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit<br />

klarer, freier, unbestechlicher geworden ist, ja, daß das persönliche Leiden ein<br />

tauglicherer Schlüssel, ein fruchtbareres Prinzip zur betrachtenden und tätigen Erschließung<br />

der Welt ist als persönliches Glück.<br />

Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften II, S. 441<br />

Zwar schon durch den antikolonialen Befreiungskampf politisiert, erlebt Jean-Marc Ela<br />

den entscheidenden Bruch seines bisherigen Lebens, oder zumindest den Wandel seiner<br />

Perspektive, nachdem er als frischgebackener Doktor der Theologie aus Frankreich<br />

nach Kamerun zurückkehrt und sich entscheidet, als Missionar in den Norden seines<br />

Landes zu gehen. Hier lernte er in den 14 Jahren, während denen er in dem Dorf Tokombéré<br />

lebte (1971-1985), die wirklichen Probleme Afrikas kennen. Dies mag merkwürdig<br />

anmuten angesichts der Tatsache, daß Jean-Marc Ela doch selbst in Afrika<br />

<strong>auf</strong>gewachsen ist. Nun ist der Süden Kameruns, wo Jean-Marc Elas Heimatdorf liegt,<br />

wesentlich fruchtbarer als der zum Sahel gehörige Norden des Landes, wo außerdem<br />

zu der Zeit, als Jean-Marc Ela dorthin kam, eine große Dürre und Hungersnot herrschte.<br />

Was auch nicht vernachlässigt werden darf, ist, daß insbesondere die Missionsschulen<br />

und Priesterseminare, die auch Jean-Marc Ela durchl<strong>auf</strong>en hat, eine weitestgehend<br />

von der Außenwelt abgeschirmte Welt waren, in der die Kinder und jungen Erwachsenen<br />

bewußt und gezielt ihrer eigenen Kultur und ihres eigenen Kontextes entfremdet<br />

<strong>wurde</strong>n - bedeutete Christianisierung doch zugleich Europäisierung, ja „Zivilisierung<br />

der Wilden“. 6<br />

Mit den neuen Erfahrungen, die Jean-Marc Ela im Kontext des „Afrika der Dörfer“<br />

machte, und mit dem damit zusammenhängenden Perspektivenwechsel war die frustrierende<br />

Erkenntnis verbunden, daß die Theologie, wie er sie sowohl in den Institutionen<br />

der Kolonialkirche als auch an den Universitäten in der Ersten Welt (kennen)gelernt<br />

hatte, für die Situation, in der er sich wiederfand, absolut irrelevant war -<br />

wenn sie, d.h. v.a. die durch die Mission ererbte Theologie, nicht sogar noch zur Verschärfung<br />

dieser Situation beitrug, dadurch, daß sie durch ihre Orientierung <strong>auf</strong> das<br />

Jenseits und eine Überbetonung des Seelenheils - unter Geringschätzung irdischen<br />

Glücks - die Entstehung eines kritischen Bewußtsein effektiv behinderte und die Gläubigen<br />

letztlich infantilisierte. Für diese Theologie spielte die konkrete Situation der<br />

Menschen keinerlei Rolle, und sie sprach darüber hinaus eine Sprache, die nicht die der<br />

AfrikanerInnen war.<br />

6<br />

Vgl. hierzu z.B. NAZAIRE BITOTO ABENG, Von der Freiheit zur Befreiung, 113-126, bes. S. 121 u. passim. -<br />

<strong>Das</strong> staatliche Bildungssystem war und ist übrigens nicht wesentlich weniger entfremdend.

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