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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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und mitleidige Fürsprecherin der Sünder, flüchte ich mich und flehe dich an,<br />

es nicht zuzulassen, daß ich den Leib und die Seele verliere!«<br />

Hippolyt war, sobald er gesehen hatte, daß Tirant schon angekleidet war und<br />

<strong>nach</strong> Rüstung und Waffen rief, zum Gemach der Prinzessin hinübergeeilt.<br />

Hastig sagte er ihr:<br />

»Meine Herrin, ich bitte Euch, alles Leid und alle Angst, die Eure Hoheit hat,<br />

augenblicklich zu vergessen. Alle trüben Gedanken, die Euch bedrücken,<br />

sollen zu himmelhoch jauchzendem Jubel werden. Denn ich bringe Euch<br />

eine Botschaft, wie sie schöner gar nicht sein kann.«<br />

Das Übermaß der Freude ließ die Prinzessin derart erstarren, daß sie, auf dem<br />

Boden sitzend, eine gute Weile kein Wort hervorbrachte. Als diese<br />

momentane Lähmung sich gelöst hatte, sagte Karmesina: »Ist das wahre Hast<br />

du wirklich eine so gute Nachricht, wie du sagst? Denn vor lauter Weinen ist<br />

mein Augenlicht fast erloschen.« Da überzeugte Hippolyt sie, indem er ihr<br />

mit glaubwürdigen Worten in aller Ausführlichkeit schilderte, wie das<br />

Unwahrscheinliche geschehen war. Daraufhin war die Wonne, von der die<br />

Prinzessin überwallt wurde, so wild, daß sie Hippolyt auf die Stirn küßte und<br />

ihr im Überschwang die hellen Freudentränen aus den Augen sprangen.<br />

Hippolyt aber sagte zu ihr:<br />

»Herrin, man sollte niemals über irgendetwas weinen, es sei denn über eigene<br />

Sünden und Fehler; sollte die Drangsale abschütteln und alles Leidige<br />

vergessen.«<br />

Wegen des gewaltigen Lärms, den die Leute in diesem Moment<br />

veranstalteten, verabschiedete Hippolyt sich rasch. Die Prinzessin rannte zum<br />

Gemach ihrer Mutter, und da sahen sie, wie gerade der Kaiser mit Tirant<br />

<strong>zur</strong>ückkehrte. Alle Damen des Palastes postierten sich an den Fenstern, denn<br />

das einzige, was sie die ganze Zeit beschäftigt hatte, war der elende Zustand<br />

Tirants; sein Befinden war das einzige, worum sie sich Sorgen machten. Als<br />

nun Tirant direkt unterm Fenster der Prinzessin vorbeiritt, hob er den<br />

behelmten Kopf und verdeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Die<br />

Kaiserin fragte ihre Tochter, warum Tirant das getan habe, denn diese Geste,<br />

sich beide Hände vors Gesicht zu halten, mache einer doch nur, wenn er<br />

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in Liebesdingen unzufrieden sei. Und die Prinzessin antwortete, sie habe<br />

keine Ahnung.<br />

Als die Reiter vorübergezogen und an die Eingangstür des Palastes gelangt<br />

waren, stieg der Kaiser vom Pferd, und Tirant verabschiedete sich von ihm,<br />

weil er sein Quartier aufsuchen wolle. Der Kaiser tat alles, was er vermochte,<br />

um den Ritter zum Absteigen zu bewegen, denn hier werde er mit allem, was<br />

er brauche, aufs beste versorgt; Tirant beharrte darauf, sich <strong>zur</strong>ückzuziehen.<br />

Die Prinzessin rätselte, was wohl der Grund sein mochte, daß Tirant sich<br />

entfernte; weshalb er nicht im Palast verweilen wollte, obwohl der Kaiser ihn<br />

so herzlich und dringlich darum gebeten hatte; was er jetzt hartnäckig<br />

ausschlug, war doch ebendas, worauf er zu anderen Zeiten so großen Wert<br />

gelegt hatte. Und sie grübelte auch darüber <strong>nach</strong>, warum er sein Gesicht<br />

hinter den Händen verborgen hatte.<br />

Kaum war Tirant in der Herberge, ging er sofort auf sein Zimmer, ließ den<br />

Herrn von Agramunt und Hippolyt rufen und bat sie sehr kameradschaftlich,<br />

dafür zu sorgen, daß zehn Galeeren, die dort vor Anker lagen, bestückt und<br />

mit allem erforderlichen Proviant versehen würden. Und die beiden sagten,<br />

sie täten es mit Vergnügen; sie verließen Tirant und veranlaßten, daß die<br />

Galeeren vorzüglich ausgerüstet wurden.<br />

Nachdem er zu Mittag gegessen hatte, richtete Tirant alles her, was er<br />

benötigte, um abreisen zu können, und erteilte den Befehl, daß all seine Leute<br />

auf dem Landweg <strong>zur</strong> Burg des Grimmigen Nachbarn ziehen sollten; er<br />

selbst, so erklärte er, wolle den Seeweg nehmen; am genannten Ort würden<br />

sie sich treffen.<br />

Gegen Abend erfuhr der Kaiser von den Ärzten, die <strong>nach</strong> dem Kapitan<br />

gesehen hatten, daß es Tirant gutgehe. Als es schon fast an der Zeit war, daß<br />

die Sonne unterging und die Glocke zum Allerseelengebet läutete, überkam<br />

die Prinzessin ein solch todbanges Verlangen, Tirant zu sehen, daß sie<br />

Wonnemeineslebens und die Jungfrau von Montblanc bat, gleich <strong>zur</strong><br />

Herberge des Ritters zu gehen und ihn zu be<strong>nach</strong>richtigen, damit sie endlich<br />

die Zweifel loswerde, von denen sie umgetrieben wurde. Und sie beauftragte<br />

die zweie, ihm zu sagen, sie wolle den Kaiser, ihren Vater, dazu bewegen,<br />

bald gemeinsam mit ihr einen Besuch im Kapitansquartier zu machen; denn<br />

es bedrücke

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