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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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mir stets bewußt gewesen; ich habe sie nie vergessen – wie die Tatsachen, die<br />

Ihr vor Augen habt, klar beweisen und sehr bald noch viel deutlicher erweisen<br />

werden. Denn ich verspreche Euch – eingedenk des Gelübdes, mit dem ich<br />

mich zu den Regeln des Ritterordens verpflichtet habe –, daß mit Gottes Hilfe,<br />

noch ehe ein Monat vorübergeht, der Herzog von Makedonien samt allen<br />

anderen Mannen aus der Gefangenschaft befreit sein wird und hierherkommt,<br />

<strong>zur</strong> Freude Eures edlen Gemüts. Zu diesem und k<strong>einem</strong> anderen Zweck bin<br />

ich hergekommen.«<br />

Als die tugendhafte Herzogin von Makedonien diese demütigen und<br />

liebenswürdigen Worte des tapferen Tirant vernahm, warf sie sich aufs neue zu<br />

Boden, um ihm die Füße zu küssen. Das hohe Anstandsgefühl Tirants duldete<br />

dies jedoch nicht; er half ihr auf und küßte sie noch einmal. Hand in Hand,<br />

setzten sie sich nieder und erzählten einander alle Mißgeschicke, die sie in den<br />

letzten Jahren hatten erleben müssen.<br />

Zur selben Stunde, da der Kapitan den beiden kaiserlichen Damen ein wahres<br />

Freudenfest bereitete und mit der Herzogin von Makedonien dieses tröstliche<br />

Gespräch führte, berichtete der Kaiser den Herren seines Kronrats, was für<br />

eine Botschaft der Sultan und der Großtürke Tirant gesandt hatten, gemäß<br />

der Auskunft, die ihm von dem Bretonen gegeben worden war.<br />

Und als die Versammelten diese erfreuliche Nachricht vernommen hatten,<br />

entstand große Erregung in ihrer Mitte und lebhafter Meinungsstreit. Die<br />

einen sagten, Tirant solle die Feinde <strong>zur</strong> Schlacht herausfordern, damit alle<br />

Sarazenen im Kampf erschlagen würden; denn Tirant habe die Macht, dafür<br />

zu sorgen, daß nicht einer von denen in sein Heimatland <strong>zur</strong>ückkäme und<br />

daß in Zukunft nie wieder einer von dieser Horde es wagen würde, in das<br />

Reich einzufallen. Andere sagten, es sei nicht nötig, jetzt noch eine Schlacht<br />

zu schlagen und das Leben so vieler eigenen Leute aufs Spiel zu setzen; denn<br />

die Muslime seien zahlreich, und sie seien gute Ritter, die sich, eingedenk der<br />

ihnen bewußten Tatsache, daß es für sie alle jetzt um Leben oder Tod ging,<br />

mit dem Mut der Verzweiflung wehren würden und so die Christen in große<br />

Gefahr brächten. Es komme nun vielmehr darauf an, sie mit wechselnden<br />

Verhandlungsvorschlägen so lange hinzuhal-<br />

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ten, bis ihre Lebensmittelvorräte vollends verbraucht wären, so daß ihnen<br />

nur noch die Wahl bliebe, entweder allesamt zu verhungern oder sich zu<br />

ergeben und in die Gefangenschaft zu gehen. Wieder andere aber rieten,<br />

lieber einen Frieden zu schließen, die Feinde abziehen zu lassen und nur den<br />

Sultan und den Großtürken sowie alle sonstigen Könige und Fürsten als<br />

Geiseln festzunehmen, um sie so lange <strong>zur</strong>ückzuhalten, bis all die von ihnen<br />

eroberten Ländereien und sämtliche Gefangenen, die in ihre Hände gerieten,<br />

<strong>zur</strong>ückgegeben seien. Wenn man nämlich diese Anführer alle umbrächte,<br />

würden die Mauren alsbald andere Herren aufbieten, die unaufhörlich alles in<br />

ihrer Macht Stehende täten, um das einmal Gewonnene mit Zähnen und<br />

Klauen zu verteidigen; und das wäre dann der Anlaß für einen neuen, noch<br />

größeren Krieg, dessen Ende nicht mehr in Sicht wäre und nie wieder<br />

erwartet werden könnte.<br />

Als all diese gegensätzlichen Meinungen ausgetauscht und gründlich erörtert<br />

worden waren, kam man endlich doch zu dem Schluß, daß es geboten sei,<br />

sich gemeinsam für das Verfahren zu entscheiden, das den gangbarsten Weg<br />

verheiße. Dies geschah, und man ließ den Kaiser herbeirufen; denn die<br />

Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern des Rates hatten in<br />

geschlossener Sitzung stattgefunden. Über das Ergebnis ihrer Beratung<br />

informierte man den Herrscher mit den folgenden Worten:<br />

»Geweihte Majestät, in der einmütigen Absicht, auf die friedliche Ruhe Eures<br />

hohen Alters und die Erholung aller Vasallen und Diener des ganzen Reiches<br />

bedacht zu sein, haben wir, Euer gesamter Kronrat, einhellig den Beschluß<br />

gefaßt, Eurer Majestät zu empfehlen, zwecks Vermeidung massenhafter<br />

Opferung von Menschenleben, wie sie eine kriegerische Rückgewinnung des<br />

ganzen Reichsgebiets erfordern würde, einen endgültigen Friedensvertrag<br />

mit dem Sultan und dem Großtürken sowie mit all den anderen großen<br />

Herren ihres Bündnisses zu schließen, unter der Bedingung, daß sie sich<br />

persönlich als Gefangene in den Gewahrsam Eurer Durchlaucht begeben,<br />

aus dem sie nicht entlassen werden sollen, bevor sie alles erfüllt haben, was<br />

sie in ihrer Botschaft anbieten. Die übrigen Mauren aber mögen allesamt<br />

abziehen, zu Fuß und ohne ihre Waffen.«<br />

Mit diesem Bescheid war der Kaiser höchlich zufrieden; denn es war

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