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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Diafebus, als Verwandter Tirants, wollte nicht <strong>zur</strong>ückbleiben; auch Tenebros<br />

nicht, der hartnäckig darauf bestand, Philipp als Diener zu begleiten.<br />

Drei Tage und drei Nächte wurden die Seefahrer von <strong>einem</strong> ordentlichen<br />

Sturm gebeutelt. Da<strong>nach</strong> hatten sie einen so günstigen Wind, daß sie binnen<br />

weniger Tage zum Hafen Jaffa gelangten; und als sie von dort weiterfuhren,<br />

segelten sie bei sanftem Wind über eine ruhige See und erreichten<br />

wohlbehalten eine Anlegestelle in der Nähe von Beirut. Dort stiegen alle<br />

Pilger aus und dingten sich gute Führer, jeweils für zehn Reisende einen<br />

Wegekundigen. Wie sie dann in Jerusalem wieder beisammen waren,<br />

verweilten sie dort vierzehn Tage, um all die heiligen Stätten zu besuchen.<br />

Und als sie Jerusalem verließen, machten sie sich auf den Weg <strong>nach</strong><br />

Alexandria, wo sie die venezianischen Galeeren vorfanden, neben vielen<br />

anderen christlichen Schiffen.<br />

Eines Tages nun, bei <strong>einem</strong> Gang durch die Stadt, begegneten der König und<br />

Tirant <strong>einem</strong> christlichen Sklaven, der heftig weinte. Als Tirant den<br />

jämmerlichen Zustand dieses Mannes bemerkte, sprach er ihn an.<br />

»Freund, sag mir doch bitte, was dich so bekümmert. Du tust mir leid, und<br />

wenn ich dir irgendwie helfen kann, tue ich’s herzlich gern.«<br />

»Es hat keinen Sinn, darüber viele Worte zu verlieren«, sagte der Sklave.<br />

»Auch wenn ich’s Euch sage, werde ich doch weder bei Euch noch bei<br />

sonstwem Rat oder Hilfe finden. Mein Schicksal ist es, daß ich seit<br />

zweiundzwanzig Jahren in Gefangenschaft bin, als Opfer meines<br />

Mißgeschicks. Ich lechze mehr <strong>nach</strong> dem Tod als <strong>nach</strong> dem Leben. Weil ich<br />

m<strong>einem</strong> Gott und Schöpfer nicht abschwören will, kriege ich sattsam Prügel<br />

und kaum etwas zum Nagen.« Tirant antwortete:<br />

»Ich meine es gut mit dir und bitte dich deshalb, mir zu sagen, wie er heißt<br />

und wo er wohnt, dieser grausame Mensch, der dich derart versklavt. «<br />

»In dem Haus da drüben«, sagte der Gefangene, »dort werdet Ihr ihn finden,<br />

diesen Kerl, der mit Ruten in der Hand mich erwartet, um mir mit Hieben<br />

den Rücken zu enthäuten.«<br />

Flüsternd bat Tirant den König, ihm zu gestatten, daß er das Haus dieses<br />

Sarazenen betrete; und der König stimmte s<strong>einem</strong> Vorhaben zu. Tirant aber<br />

sagte dem Sarazenen, der Sklave, den er halte, sei ein Verwandter von ihm;<br />

und er fragte ihn, ob er bereit sei, ihn zu verkaufen oder freizulassen gegen<br />

ein Lösegeld. Der Sarazene erklärte, daß er nicht abgeneigt sei. Sie kamen<br />

überein, daß er fünfundfünfzig Golddukaten erhalten solle, und Tirant<br />

bezahlte diese Summe auf der Stelle. Dann fragte er den Mann, ob er andere<br />

Sarazenen kenne, die christliche Sklaven hätten; denn gegebenenfalls wolle er<br />

diese freikaufen. Das sprach sich in ganz Alexandria herum. Und jeder, der<br />

einen solchen Gefangenen hatte, brachte ihn zu der Händlerherberge, in der<br />

Tirant sein Quartier hatte. Und innerhalb von zwei Tagen erlöste Tirant<br />

vierhundertdreiundsiebzig Gefangene, und hätte es noch mehr gegeben, so<br />

hätte er noch mehr befreit. Sein gesamtes Gold- und Silbergeschirr sowie<br />

sämtliche Juwelen, die er bei sich hatte, verkaufte er, um diesen Sklaven <strong>zur</strong><br />

Freiheit zu verhelfen. Er ließ die Freigekauften auf den Galeeren und sonstigen<br />

Schiffen unterbringen und <strong>nach</strong> Rhodos befördern.<br />

Als der redliche Großmeister erfuhr, daß der König und Tirant kämen, ließ er<br />

im Hafen eine große hölzerne Brücke bauen, die vom Kai bis zu den Galeeren<br />

führte und ganz mit Planen aus Seide überdacht und ausgeschlagen war. Bei<br />

der Ankunft gab sich der König von Sizilien jedermann zu erkennen. Der<br />

Großmeister betrat das Schiff, geleitete den König, Philipp und Tirant an<br />

Land, brachte sie hinauf <strong>zur</strong> Burg, wo er sie beherbergen wollte, und sagte zu<br />

ihnen:<br />

»Liebe Herren, in den Tagen der Not habt ihr mir zu essen gegeben; jetzt, in<br />

den Tagen des Wohlstands, werdet ihr bei mir essen, wenn es euch beliebt.«<br />

Und alle drei stimmten freudig zu.<br />

Kaum befand sich Tirant wieder auf Rhodos, da ließ er viele Stoffballen<br />

kaufen und befahl, daraus Kleider zu schneidern, um all die befreiten<br />

Gefangenen mit Mänteln, Leibröcken, Wämsern, Hosen, Schuhen und<br />

Hemden zu versorgen. Dann ließ er sie die gelben Hemden ausziehen, die sie<br />

trugen, und schickte diese in die Bretagne, damit man sie dort <strong>nach</strong> s<strong>einem</strong><br />

Tode in seiner Kapelle auf-<br />

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