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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Eurer Majestät einen beliebigen Dienst zu leisten, so gefährlich dieser auch<br />

sein mochte. Eure Majestät hingegen ist nicht einmal bereit, m<strong>einem</strong><br />

lechzenden Gemüt auch nur das Augenblickslabsal einer winzigen<br />

Freiheitsfrucht zu gönnen. Nein, von nun an könnt Ihr Euch einen anderen<br />

Bruder und Diener suchen, der sich auf eigene Kosten ständig bemüht,<br />

Eurem Wohl zu dienen. Und schlagt es Euch aus dem Sinn, daß ich fürderhin<br />

jemals in Eurem Auftrag noch irgendein Wörtchen zu Tirant sagen würde<br />

oder gar bereit wäre, ihm irgendwelche Gelder zu überbringen. Sobald ich ins<br />

Feldlager komme, werde ich meinen Abschied nehmen und heimreisen in<br />

mein Vaterland. Irgendwann aber wird der Tag kommen, da es Euch leid tut,<br />

daß ich nicht mehr da bin.«<br />

Kaum hatte Diafebus mit diesem Satz seinen Schlußstrich gezogen, da betrat<br />

der Kaiser das Gemach und fragte den Ritter, weshalb er sich noch nicht<br />

reisefertig mache; schon vor Tagesanbruch solle es doch losgehen.<br />

»Herr«, antwortete Diafebus, »eben komme ich von m<strong>einem</strong> Quartier;<br />

allesamt sind wir schon bereit zum Aufbruch.«<br />

Der Kaiser brachte ihn hinaus und wandelte mit ihm noch ein Weilchen<br />

durch die Gänge des Palastes, wobei er ihn und den Konnetabel an die<br />

Weisungen erinnerte, die er ihm gegeben hatte.<br />

»Ach, ich elendes Weib!« stöhnte die Prinzessin. »Wie wütend ist Diafebus<br />

geworden! Ich glaube, er wird nie wieder einen Finger für mich rühren. Was<br />

für ein Pech habe ich doch! All diese Franzosen sind nicht ganz bei Trost<br />

und geraten gleich außer sich. Stephania, geh du ihm <strong>nach</strong>, mir zuliebe, und<br />

sag ihm, er soll mir bitte nicht so böse sein.«<br />

»Das will ich gerne tun«, antwortete Stephania.<br />

Da tat Wonnemeineslebens den Mund auf und sagte:<br />

»O Herrin, Ihr seid schon ein recht seltsames Frauenzimmer! Mitten im<br />

Krieg, wo Ihr sie so dringend braucht, verscherzt Ihr Euch die Freundschaft<br />

der Ritter. Sie setzen ihr Gut und Blut ein, zum Schutz Eurer Hoheit und<br />

des ganzen Reiches, während Ihr, eines Kusses wegen, ein solches Theater<br />

macht! Was ist denn schlimm am Küssen? In Frankreich machen sie davon<br />

so wenig Aufhebens wie wenn man einander die Hand gibt. Und wenn er<br />

Euch küssen will, solltet<br />

576<br />

Ihr Euch nicht sträuben, selbst dann nicht, wenn er mit der Hand Euch<br />

unter die Röcke fährt, in solcher Notzeit wie der unsrigen. Später dann,<br />

wenn Ihr geruhsam den Frieden genießt, mag der Anstand Urständ feiern<br />

und das Laster sich <strong>zur</strong> Tugend läutern. Gute Frau, gute Frau, Ihr geht den<br />

verkehrten Weg! In Kriegszeiten sind Waffen gefragt, in Friedenstagen<br />

freilich kann man auf Pfeil und Bogen pfeifen!«<br />

Stephania war nicht dabei, als Wonnemeineslebens diese Worte sagte; doch<br />

die Prinzessin lief hinaus, sie zu suchen, fand sie in ihrem Gemach und flehte<br />

sie inständig an, den Ritter soweit zu bringen, daß er noch einmal herkäme:<br />

»Ich fürchte nämlich, daß er tatsächlich tut, was er gesagt hat, und uns im<br />

Stich läßt. Und wenn er geht, wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn Tirant<br />

ebenfalls heimreisen würde, ihm zuliebe. Und falls dieser Tapfere, mir<br />

zuliebe, nicht fortginge, würden doch viele von den übrigen Mannen sich<br />

verziehen. Wir aber, die schon zu gewinnen wähnten, wären verloren.«<br />

»Die Sache läßt sich leichter einrenken, als Ihr denkt, Herrin«, sagte<br />

Wonnemeineslebens. »Schickt keinen Boten, sondern geht selber hin. Tut so,<br />

als wolltet Ihr den Kaiser aufsuchen. Erzählt den beiden irgendwelche<br />

Neuigkeiten und laßt Diafebus gelegentlich merken, daß sich Euer Sinn<br />

gewandelt hat, dann wird seine Wut im Nu verfliegen. «<br />

Schleunigst begab sie sich dorthin, wo sie ihren Vater vermutete, und fand die<br />

Männer noch immer ins Gespräch vertieft. Als endlich genug der Worte<br />

gewechselt waren, nahm die Prinzessin Diafebus an der Hand, zog ihn<br />

beiseite und bat ihn herzlich, er solle ihr doch nicht grollen. Diafebus<br />

erwiderte:<br />

»Herrin, ich habe alles versucht, was ich nur irgend tun konnte, um zu prüfen<br />

und zu erproben, wie redlich Eure Hoheit es meint. Ich glaubte, Ihr würdet<br />

im Blick auf die drohenden Gefahren und die ungewisse Zukunft mir doch<br />

ein bißchen entgegenkommen; denn bei dem, worum ich bat, handelt es sich<br />

ja mehr um ein Scheinvergnügen als um die wirkliche Lustbarkeit eines<br />

leibhaftigen Tuns. Eurer Majestät ist es nun so ergangen wie dem heiligen<br />

Petrus: Als er flüchtete, um in Rom nicht den Tod zu erleiden, widerfuhr ihm<br />

eine

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