22.12.2012 Aufrufe

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KAPITEL CDXXIV<br />

Wie Tirant die Königin von Fez mit<br />

der ganzen restlichen Flotte <strong>nach</strong><br />

Konstantinopel schickte<br />

achdem der Markgraf von Liana, Tirants Admiral, sämtliche<br />

angemieteten Schiffe auf den Heimweg geschickt hatte, ließ er<br />

alle restlichen Seefahrzeuge bestücken. Deren Anzahl belief sich<br />

auf vierhundertfünfunddreißig, und es handelte sich dabei teils<br />

um große Segelschiffe, teils um Galeeren, Galioten und Barken.<br />

Im Feldlager hatte man nun einen großen Vorrat an Proviant gehortet, und<br />

deshalb befahl der Admiral, daß zwei mit Geschützen wohlversehene<br />

Galeeren im Fluß vor Anker bleiben sollten, dicht bei Tirants Lager, jederzeit<br />

einsatzbereit, falls sie irgendwo benötigt würden.<br />

Als die ganze Flotte klar <strong>zur</strong> Abfahrt war, suchte der Admiral den Kapitan im<br />

Feldlager auf und meldete diesem, daß alles ausgeführt worden sei, was Seine<br />

Exzellenz ihm befohlen habe. Da begab sich Tirant zum Zelt der Königin von<br />

Fez und sagte zu ihr:<br />

»Herrin, teure Schwester, ich bitte Euch, tut mir den Gefallen und reist mit<br />

diesen Schiffen <strong>nach</strong> Konstantinopel, um dort diejenige zu trösten und<br />

aufzumuntern, die mein Herz in Bann geschlagen hat; denn ich fürchte, daß<br />

sie in der Zeit, da es mir noch verwehrt ist, sie zu besuchen und ihr meine<br />

Ehrerbietung zu erweisen, einen nicht wiedergutzumachenden Schaden<br />

erleiden könnte. Das wäre für mich schlimmer als der Tod. Ihr begreift ja<br />

genau, daß ich, wenn ich jetzt wegginge, um Ihre Durchlaucht zu sehen, das<br />

ganze Feldlager einer großen Gefahr aussetzen würde – abgesehen von<br />

vielerlei sonstigen unerfreulichen Folgen, die meine Entfernung von der<br />

Truppe haben könnte. Und Ihr habt es dort viel besser, viel angenehmer und<br />

vergnüglicher. Ich bitte Euch herzlich, seid so nett und setzt Euch mit Eurer<br />

Engelsschläue wieder so für mich ein, wie Ihr dies in den frühen Tagen meiner<br />

Verliebtheit stets getan habt, als Ihr mein Werben um die Prinzessin<br />

unentwegt fördertet mit himmlischer Beredsamkeit. Erweckt und stärkt in ihr<br />

die Hoffnung auf mein baldiges Erscheinen. Ich komme zu ihr, sobald ich<br />

kann. Es gibt nichts auf der Welt, was<br />

314<br />

ich so ersehne. Je länger dies auf sich warten läßt, desto größer meine Qual.<br />

Eine Stunde zieht sich für mein Gefühl derart hin, als dauerte sie ein Jahr.<br />

Nach nichts und niemand, es sei denn Gott, habe ich ein solches Verlangen<br />

wie <strong>nach</strong> der Möglichkeit, endlich Ihre Hoheit zu sehen, ihr zu gehorchen und<br />

ihr zu dienen.«<br />

Die anmutig gewitzte Königin ließ Tirant nicht weiterreden. Mit freundlicher<br />

Miene und gedämpfter Stimme fiel sie ihm ins Wort. »Mein Herr und Bruder«,<br />

flüsterte sie, »Euer Wunsch ist mir Befehl, ob der großen Dankesschuld, die<br />

ich Euch gegenüber fühle, eingedenk der überwältigenden Wohltaten und<br />

Ehrungen, die mir durch Euer Gnaden zuteil geworden sind, obwohl ich sie<br />

mitnichten verdient habe. Allein Eurem Tugendreichtum, Eurer überragenden<br />

Großmut habe ich dies alles zu verdanken. Und Eure Exzellenz sollte mir<br />

nicht so wenig vertrauen, daß Ihr es für möglich haltet, mir könnte es derart<br />

an Erkenntlichkeit mangeln, daß ich irgendwann vergessen könnte, wieviel<br />

Grund ich habe, mich Euch zutiefst verpflichtet zu fühlen. Glaubt mir, Herr<br />

und Bruder, wenn ich früher schon willens gewesen bin, Euer Gnaden zu<br />

dienen, so jetzt tausendmal mehr, der vielfältigen Tugend wegen, die, wie ich<br />

inzwischen weiß, Eurem mannhaften Wesen eigen ist. Und für mich ist<br />

wahrlich klar, daß ein Leib von solcher Vollkommenheit, wie es der meiner<br />

Herrin ist, von k<strong>einem</strong> anderen in Besitz genommen werden darf; nur Eure<br />

hohe Tapferkeit ist dessen würdig, die Tugendstärke Eures Herzens, das ein<br />

Quell der Güte und aller Ritterlichkeit ist. Darum, mein Bruder und Herr, sagt<br />

mir, ob Eure Exzellenz mich noch mit anderen Dingen beauftragen will; denn<br />

das Genannte und alles Sonstige, was im Bereich des Menschenmöglichen sich<br />

mit Worten oder Taten bewerkstelligen läßt, werde ich bereitwillig tun und<br />

würde gern hundert Leben dafür einsetzen, wenn ich so viele hätte.«<br />

Da umarmte Tirant Wonnemeineslebens, küßte sie auf die Wange und sagte:<br />

»Meine Schwester und Herrin, niemals werde ich Euch genug danken können<br />

für all das, was ich an Liebe von Euch erfahren habe, und mein Vertrauen zu<br />

Euch ist so groß, daß ich fest daran glaube: Ihr werdet all meinen Plagen ein<br />

Ende machen. Unser Herr im Himmel möge es mir vergönnen, daß ich eines<br />

Tages in der Lage bin, es Euch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!