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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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tigen Stadt sehr bedrückt und tief in Trauer versunken ist, aus zwiefachem<br />

Grund. Zum einen ist da der Verlust, den Eure Hoheit erlitten hat durch den<br />

Tod jenes mutigen Ritters, des Prinzen, Eures Sohnes. Eure Majestät sollte<br />

sich darüber nicht grämen, denn er ist im Dienste Gottes gestorben, beim<br />

Einsatz für die Wahrung des heiligen katholischen Glaubens, was doch<br />

vielmehr ein Grund sein sollte, unseren Herrn im Himmel zu rühmen und<br />

Ihm für seine unermeßliche Güte zu danken; denn Er hat Euch einst diesen<br />

Sohn anvertraut, und Sein Wille ist es nun gewesen, ihn Euch zu nehmen, auf<br />

daß Eurem Sohn ein noch größeres Glück zuteil werde, indem Er ihn in die<br />

Seligkeit des Paradieses versetzt hat. Ihr solltet also den Herrn im Himmel<br />

dafür rühmen und preisen; und Er, der barmherzig und voll unerschöpflicher<br />

Güte ist, wird Euch dann gewiß auf dieser Erde ein langes, gesegnetes Leben<br />

gewähren und <strong>nach</strong> dem Tode die ewige Glückseligkeit schenken; zuvor aber<br />

wird Er Euch zum Überwinder all Eurer Feinde machen. Der andere Grund<br />

des allgemeinen Trauerns ist, wie ich wohl weiß, die übermächtige Masse der<br />

Sarazenen, die Ihr so bedrohlich anrücken seht, voller Sorge und Angst, alle<br />

könnten ihr Hab und Gut mitsamt dem Leben verlieren oder doch, im<br />

glimpflichsten Falle, als Gefangene in die Hände der Ungläubigen fallen.<br />

Deshalb ist es jetzt eine gebieterische Notwendigkeit, daß Eure Hoheit und<br />

die Frau Kaiserin jedermann ein fröhliches Gesicht zeigen, damit es all denen,<br />

die Euch sehen, zum Trost in ihrem Jammer gereicht, und alle neuen Mut<br />

schöpfen, der sie befähigt, mannhaft den Feinden zu widerstehen.«<br />

»Der Kapitan hat uns einen guten Rat gegeben«, sagte der Kaiser. »Ich<br />

wünsche und fordere, daß von jetzt an alle, Männer wie Frauen, jegliche<br />

Trauerbekundung unterlassen.«<br />

406<br />

KAPITEL CXVIII<br />

Wie Tirant zutiefst getroffen wurde von <strong>einem</strong> Pfeil,<br />

mit dem die Göttin Venus sein Herz beschoß,<br />

da er die Tochter des Kaisers betrachtete<br />

ährend der Kaiser mit diesen oder ähnlichen Worten seine<br />

Zustimmung äußerte, achteten die Ohren Tirants auf dessen<br />

Rede, seine Augen jedoch widmeten sich der Betrachtung von<br />

Karmesinas großer Schönheit. Und da in dem Raum, dessen<br />

Fenster ständig geschlossen gewesen waren, eine drückende<br />

Hitze herrschte, war die Kleidung der Infantin halb aufgenestelt, so daß<br />

ihre Brüste sich sehen ließen: zwei Paradiesäpfel, glänzend, als wären sie aus<br />

Kristall; und ihre schimmernde Klarheit lud die Augen des Bretonen ein,<br />

sich hineinzuwagen. Einmal drinnen, fanden sie nie wieder einen Ausgang<br />

und blieben so für immer in der Gewalt eines ungebundenen Wesens, bis<br />

der Tod beider die Trennung erzwang. Doch ich kann euch guten<br />

Gewissens versichern, daß die Augen Tirants noch nie zuvor eine solch<br />

köstliche Weide gefunden hatten, so viele Ehrungen und Labsale er auch<br />

schon erlebt hatte; denn die Wonne, diese Infantin anzuschauen, war<br />

unvergleichlich. Der Kaiser faßte seine Tochter Karmesina an der Hand<br />

und führte sie aus dem Gemach hinaus. Der Kapitan nahm den Arm der<br />

Kaiserin, und gemeinsam traten sie in ein anderes Gemach, das mit<br />

wunderschönen Gobelins geschmückt war und ringsum, an allen vier<br />

Wänden, die Liebesgeschichten der folgenden Paare vorführte: Florice und<br />

Blanchfleur, Pyramus und Thisbe, Aeneas und Dido, Tristan und Isolde;<br />

auch die Königin Ginevra mit Lanzelot war zu sehen, und viele andere<br />

mehr. Die Schicksale all dieser Liebenden waren da in Szenen von höchster<br />

Feinheit und Kunstfertigkeit dargestellt, und Tirant sagte zu Richard:<br />

»Ich hätte nie geglaubt, daß es auf dieser Erde soviel schöne Dinge gibt, wie<br />

ich hier zu sehen kriege.«<br />

Er sagte dies freilich mehr in Gedanken an die große Schönheit der Infantin<br />

als im Blick auf die Werke der Kunst. Doch der andere begriff das nicht.<br />

Tirant bat um die Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen, verabschie-

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