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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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»Herr«, sagte Tirant, »zu diesen hochzeitlichen Turnieren waren viele Ritter<br />

von hohem Ansehen und fürstlichem Rang gekommen. Da beteiligten sich<br />

Könige, Herzöge, Grafen und Markgrafen, Freiherren, Ritter und unzählige<br />

Edelleute uralten Stammes. Und wohl die meisten von denen, die bis dahin<br />

noch keine Ritter waren, haben es bei dieser besonderen Gelegenheit<br />

geschafft, in den Orden aufgenommen zu werden; und keiner hat da den<br />

Ritterschlag empfangen, der sich nicht zuvor sowohl mit den stumpfen wie<br />

mit den scharfen, tödlichen Waffen in die Schranken gewagt hätte. Tollkühn<br />

tat sich der Herzog von Acquaviva hervor, dem viele Mitstreiter <strong>zur</strong> Seite<br />

standen; und allein aus s<strong>einem</strong> Gefolge wurden mehr als sechzig Mann zu<br />

Rittern, lauter namhafte, waffenerprobte Edelleute von reinblütiger Abkunft.<br />

Zu Fuß und zu Pferd zog der genannte Herzog in den Kampf, und stets<br />

errang er den Sieg. Der Bruder des Herzogs von Burgund triumphierte im<br />

Getümmel als der tapfere, todesmutige Ritter, der er ist. Da<strong>nach</strong> trat der<br />

Herzog von Kleve in den Ring, wo ihm viel Lob und Ehre zuteil wurde. Und<br />

noch viele andere Herren, die gekommen waren, kreuzten da die Klingen, wie<br />

es sich für edle Ritter geziemt. Und ich kann Euch versichern, Herr, daß ich<br />

nicht übertreibe, wenn ich behaupte, daß mehr als hundertfünfzig Ritter bei<br />

den Tjosten und Turnieren ihr Leben ließen.<br />

Noch etwas Erstaunliches muß ich Euer Gnaden erzählen, etwas<br />

Bewundernswertes. Ein Prinz (<strong>nach</strong> m<strong>einem</strong> Eindruck ein Junge von<br />

höchstens vierzehn oder fünfzehn Jahren, der von allen ehrerbietig als<br />

Großkonnetabel von England tituliert wurde und den der König mit großer<br />

Hochachtung behandelte) kam eines Tages zum Quartier meiner Kameraden,<br />

der hier versammelten Herren, und fragte <strong>nach</strong> mir. Meinen Namen kannte er<br />

nicht, nur durch Beschreibung meines Aussehens konnte er mich ausfindig<br />

machen. Er hat genau die gleiche Statur wie ich. Und als er mich schließlich<br />

erblickte, bat er mich auf reizende Weise, ich möge ihm doch mein Pferd,<br />

meine Rüstung und meine Waffen leihen; denn der Herr König und die<br />

Gräfin, seine Mutter, seien dagegen, daß er in die Schranken trete; sie wollten,<br />

so sagte er, ihm weder einen Schwertkampf zu Fuß noch ein Lanzenbrechen<br />

zu Pferde gestatten, aus Sorge wegen der großen Gefahr, die jeder Wettstreit<br />

mit Waffen bedeute. Und so dringlich, so liebens-<br />

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würdig flehte er mich an, daß ich ihm seine Bitte nicht abschlagen konnte,<br />

sondern sagte, ich würde ihm das Gewünschte gerne geben.<br />

Die Ritter in unserem Lager waren alle stets bereit, jedwedem, der dies<br />

wünschte, Pferde oder Waffen <strong>zur</strong> Verfügung zu stellen. Aber er wollte nichts<br />

anderes als meine Waffen und mein Pferd. Und ich sträubte mich nicht.<br />

›Konnetabel‹, sagte ich zu ihm, ›meine Habe und meine Person stehen Euch<br />

zu Diensten, und ich tue alles, womit ich Euch eine Freude machen kann.‹<br />

Doch während ich dies sagte, tat mir zugleich das Herz im Leibe weh,<br />

angesichts seines zarten Alters, seiner so schönen ritterlichen Erscheinung.<br />

Schrecklich war mir der Gedanke, ihm könnte etwas zustoßen. Trotzdem,<br />

sein Wunsch ging in Erfüllung: Er trat in die Schranken, ohne daß der König<br />

und seine Mutter, die Gräfin, etwas davon erfuhren, ehe alles vorüber war.<br />

Ich sage Euch, Herr, von all den Tjosten, die da ausgetragen wurden, war dies<br />

der schönste Zweikampf, ein wahrhaft einzigartiges Treffen. Denn gleich<br />

beim ersten Ansturm traf er seinen Gegner mit solcher Wucht, mitten aufs<br />

Visier, daß die Lanze den Stahl durchstieß. Tot fiel der Getroffene vom<br />

Pferd; und als der König hörte, daß es sein Konnetabel war, der diesen<br />

Meisterstoß getan hatte, schickte er <strong>nach</strong> ihm. Der Junge aber suchte <strong>nach</strong><br />

allerlei Ausreden und wollte nicht zu ihm gehen, so große Furcht hatte er.<br />

Endlich, mehr der Nötigung als der eigenen Neigung gehorchend, begab er<br />

sich zum König, und dieser schalt ihn heftig. Überdeutlich bekundete der<br />

König, wie innig er den Prinzen liebt, als er ihm bitter vorwarf, daß er ohne<br />

seine Erlaubnis sich angemaßt habe, sich mit <strong>einem</strong> so kraftvollen Haudegen<br />

zu messen, wie dies der massige Herr von der Gebrochenen Leiter gewesen<br />

sei (alle Leute aus seiner Umgebung sagten, er sei der beste Kämpe unter den<br />

Standhaltern gewesen, der stärkste und mutigste Recke). Und der König sagte<br />

dem Prinzen überdies, nie wieder solle er es wagen, sich ohne seine Erlaubnis,<br />

ohne seine Anweisung in einen Kampf zu begeben.<br />

Auf diesen harten Tadel aber, den er vom König erhielt, erwiderte der Knabe<br />

mit aufbrausendem Zorn: ›Soll das heißen, Herr, daß ich, <strong>nach</strong>dem ich die<br />

Weihen des Ritterordens empfangen habe, mich

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