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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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sie ihr Kleid wieder an, und dann begaben sich die beiden in ein kleines<br />

Nebengemach, wo niemand sie hören konnte. Zunächst berichtete die Witwe<br />

all das, was Tirant <strong>zur</strong> gesamten Damenschar gesagt hatte, und daß er erklärt<br />

habe, er wolle einer jeden von ihnen zu einer ehrenhaften Eheschließung<br />

verhelfen; auch habe er versprochen, kostbare Traugeschenke zu machen, wie<br />

dies die Ehestifter zu tun pflegen. Dann aber ließ das raffinierte Weib mit<br />

großer Hinterlist ihrer Bosheit die Zügel schießen.<br />

KAPITEL CC XV<br />

Die infamen Einflüsterungen, mit denen die Muntere Witwe die Prinzessin tückisch<br />

aufstachelte gegen Tirant<br />

rfahrung zeigt denen, die einen hellen Kopf haben, recht deutlich,<br />

daß man gut daran tut, sich mehr von der Vernunft als vom Willen<br />

leiten zu lassen. Und je höher Stand und Rang eines Menschen<br />

sind, desto mehr ist er verpflichtet, sich tugendhaft und mit<br />

unanfechtbarer Klugheit zu verhalten. Doch auch wenn ein Mann<br />

über soviel Scharfsinn und Tüchtigkeit verfügt, wie Tirant sie als Krieger<br />

erweist, so bleibt es doch nicht aus, daß er, der natürlichen Neigung aller<br />

Männer folgend, übel von den Frauen redet und noch übler mit ihnen umgeht.<br />

Da wir dies wissen, müssen wir uns dagegen wappnen und dürfen uns nicht<br />

einfach dem Drang hingeben, alles mit uns treiben zu lassen, wie es der Lauf<br />

der Dinge so mit sich bringt. Denn niemand kann Herr sein und seine<br />

Herrschaft behaupten, wenn er nicht Weisheit besitzt; hält er sich nicht an sie,<br />

so wird er ein Narr genannt. Eure Hoheit weiß sehr wohl, wieviel Ritter das<br />

begehren und schon begehrt haben, was Tirant gern hätte; Männer, die<br />

gescheit sind und feines Taktgefühl besitzen, während dieser Tirant ein rohes<br />

Mannsbild und großer Totschläger ist, der nur Augen im Kopf hat, sonst<br />

nichts. Ich weiß genau, daß er nicht mehr sieht als die anderen; aber wenn er<br />

hirnlos in Rage gerät, wird er toll-<br />

122<br />

kühn wie keiner. Er ist auch nicht klüger als die anderen, aber weniger<br />

schamhaft, dreister. Und wenn Eure Hoheit wüßte, was er über Euch gesagt<br />

hat, hättet Ihr ein für allemal genug von ihm.«<br />

»Sagt es mir gleich«, bat die Prinzessin, »und spannt mich nicht so auf die<br />

Folter.«<br />

»Unterm Siegel der Verschwiegenheit hat er es mir gesagt«, erwiderte die<br />

Muntere Witwe; »und er nötigte mich, die Hände auf die Evangelien zu legen<br />

und zu schwören, daß ich es niemandem weitererzähle. Aber da Ihr meine<br />

angestammte Herrin seid, wäre es ein Verstoß gegen die Treuepflicht, wenn<br />

ich den Mund hielte. Mag ich auch noch so heilige Eide geleistet haben –<br />

schweigen hieße herzlos sein. Als erstes hat er mir gesagt, daß Stephania und<br />

Wonnemeineslebens mit ihm gemeinsame Sache machen, damit er, gewaltsam<br />

oder in beiderseitigem Wohlbehagen, Eure Majestät entjungfere. Und falls Ihr<br />

Euch dagegen sträuben solltet, ihm nicht in allem zu Willen seid, will er Euch<br />

sein Schwert durch den Hals jagen, so daß Ihr eines grausamen Todes sterbt.<br />

Und da<strong>nach</strong> werde er Eurem Vater das gleiche antun, den gesamten<br />

Kronschatz rauben und dann an Bord gehen, um mit all seinen Galeeren<br />

<strong>zur</strong>ück<strong>zur</strong>eisen in sein Heimatland. Und dort könne er, dank den<br />

mitgebrachten Reichtümern aus dem Schatzturm, mit Prunkgewändern und<br />

Kleinodien genug junge Damen ködern, die Eure Hoheit an Schönheit<br />

überträfen. Denn Ihr, so sagte er, hättet ja bloß das Aussehen einer<br />

Wirtshausmagd; Ihr wärt ja auch ein Mädchen mit sehr wenig Scham; in der<br />

offenen Hand würdet Ihr sie herumtragen und <strong>einem</strong> jeden feilbieten. Stellt<br />

Euch vor, Herrin, was dieser verkommene Schuft von Eurer Hoheit denkt!<br />

Und das ist noch nicht alles, was dieser treulose Mensch, dieser Gesinnungslump<br />

von sich gab; er sagte, er sei nicht in unser Land gekommen,<br />

um hier zu kämpfen; er sei wer weiß wie oft verwundet worden, und es sei ein<br />

Unglück, daß er Euch und Euren Vater jemals kennengelernt habe. Wie<br />

kommt Euch das vor, Herrin? Was haltet Ihr von solchen Worten aus dem<br />

Mund eines Ritters? Wo bleibt da die Achtung vor der Ehre Eurer<br />

Durchlaucht und der des Kaisers, <strong>nach</strong>dem Ihr beide ihm soviel Geschenke<br />

und Ehrungen habt zuteil werden lassen? Ab ins Feuer! Da soll ewiglich<br />

schmoren, wer derartige Dinge sagt. Wißt Ihr, was er überdies noch sagte?<br />

Daß er kei-

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