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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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mehr, der Karmesin noch über den Weg trauen würde. Und dieser Vorfall<br />

wäre Grund genug, mir das ganze Reich zu entziehen, die Gewänder, die<br />

Juwelen, den Münzschatz – so daß ich dir nichts mehr schenken könnte,<br />

denn sämtliche Herrschaftsrechte würden mir über Nacht genommen. Und<br />

du, du bist dann nicht mehr da, weit weg von hier. Wenn irgendwer mich<br />

beleidigt – an wen soll ich mich da wenden, daß er mir hilft? An welchen<br />

Bruder oder Verlobten? Und wenn ich schwanger würde – welchen guten Rat<br />

sollte ich da einholen? Soll ich’s ganz offen sagen, dir, m<strong>einem</strong> Herrn? Ich<br />

bin schon zu weit gegangen, als daß ich jetzt noch <strong>zur</strong>ückweichen könnte.<br />

Wenn du wohlüberlegt und mit Entschiedenheit willst, daß es so geschehe,<br />

kann ich vor Gott nicht verbergen, wie es mit mir steht: dein Weib bin ich,<br />

und also gezwungen, alles zu befolgen, was du verlangst. Aber denk daran:<br />

Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Und vergiß keinen Augenblick, was für<br />

Nachteile für mich daraus erwachsen könnten und was mir da<strong>nach</strong> anhaften<br />

würde, nämlich: Schande. Und deine Verlobte, deine heimlich dir Angetraute,<br />

die jetzt eine hochstehende Dame ist, wäre dann eine Gefangene, eingesperrt<br />

in irgend<strong>einem</strong> Turm. Ich würde <strong>nach</strong> dir rufen, würde Anspruch auf dich<br />

erheben, doch du würdest dann nichts mehr von mir wissen wollen, weil die<br />

Kränkung, die ich in diesem Fall m<strong>einem</strong> Vater und meiner Mutter angetan<br />

hätte, und die Sünde mich vor Gott und den Menschen zum Scheusal<br />

machen und weil mein Unglück es nicht zuließe, daß meine Stimme über den<br />

Transimenofluß hinweg bis zu dir dränge. Tirant, du bist jetzt mein Herr und<br />

wirst es sein und bleiben, solange ich lebe. Die Seele gehört Gott, der sie mir<br />

anvertraut hat, aber mein Leib, meine Güter und alles, was ich habe, ist dein.<br />

Und wenn du etwas gegen meinen Willen tust, bist du als Täter zugleich der<br />

Hauptverantwortliche, den man für unser Verbrechen <strong>zur</strong> Rechenschaft<br />

ziehen wird. Ich habe jetzt schon das Gefühl, als ob alle Leute mir ins<br />

Gesicht starrten und ich vor Verlegenheit schamrot würde.«<br />

Tirant hielt das Gejammer der Prinzessin nicht länger aus. Mit freundlicher<br />

Miene gab er ihr lachend die folgende Antwort.<br />

302<br />

KAPITEL CCLXXX<br />

Die Entgegnung Tirants auf das Jammern seiner Prinzessin<br />

chon viel zu lang, Herrin, warte ich darauf, Euch endlich im<br />

Hemd oder völlig nackt im Bett zu sehen. Ich will weder Eure<br />

Krone noch die Herrschaft, die damit verbunden ist. Gebt mir<br />

all meine Rechte, die laut Geheiß der heiligen Mutter Kirche<br />

mir zustehen, wie dies verfügt ist mit den Worten: ›Falls eine<br />

Jungfrau <strong>nach</strong> mühsamem Hin und Her mit dem Handel einverstanden ist<br />

und sich dazu bequemt, die wahre Ehe einzugehen, so ist es von dem, der<br />

kann und es dennoch nicht tut, eine Todsünde, wenn der Eheschließung<br />

nicht die fleischliche Vereinigung folgt.‹ Und mir scheint, Herrin, daß Ihr,<br />

wenn Ihr den Leib liebt, auch meine Seele lieben solltet. Eure Hoheit darf<br />

es also nicht zulassen, daß ich ohne Not derart sündige. Denn Ihr wißt ja<br />

sehr wohl, daß Gott <strong>einem</strong> Mann nicht gnädig gesinnt ist, der sich<br />

erdreistet, im Stande der Todsünde sich zu wappnen und ins Feld zu<br />

ziehen.«<br />

Die Argumente, die er vortrug, hinderten ihn nicht daran, mit dem<br />

Entkleiden seiner Schönen zu beginnen. Er zog ihr die Robe aus, nestelte<br />

den Rock auf, indes er sie unzählige Male küßte und seine Rede mit dem<br />

Sätzchen fortsetzte: »Eine Stunde kommt mir wie ein Jahr vor, ehe wir im<br />

Bett sind; denn Gott hat mich so reich beschenkt, daß mich jetzt die Angst<br />

umtreibt, all die Herrlichkeit könnte mir verlorengehen.«<br />

Da mischte sich Wonnemeineslebens ein:<br />

»Ach, Herr! Wozu wollt Ihr auf das Bett warten? Lieber gleich rauf auf sie,<br />

daß ihre Kleider untrüglich Zeugnis ablegen. Und wir schließen solang die<br />

Augen, um später zu sagen, wir hätten nichts gesehen. Denn wenn Ihr<br />

wartet, bis Ihre Hoheit vollends ausgezogen ist, steht Ihr morgen früh noch<br />

da. Da<strong>nach</strong> könnte unser Herr im Himmel jene Strafen über Euch<br />

verhängen, die <strong>einem</strong> Ritter geziemen, der sich störrisch anstellt in der Liebe.<br />

Wenn Ihr in solch <strong>einem</strong> Fall versagt oder die Sache irgendwie schiefläuft,<br />

täte Euch das verteufelt leid; und weil Ihr Euch als derart zahmer, ziviler<br />

Liebhaber zeigt, wird

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