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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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größeres Ergötzen bringt, als die Vorstellungskraft je bewirkt. Tretet ein,<br />

wenn Ihr wollt! Ihr findet sie schon halb bekleidet, angetan mit ihrem langen<br />

Seidenrock. Sie kratzt sich am Kopf, und es jucken ihr die Fersen; denn das<br />

Wetter ist heiter, und die Zeit erweist freudige Zustimmung zu unseren<br />

Wünschen. Und demgemäß sind wir alle fröhlich gestimmt. Deshalb will ich<br />

denn auch mit Euch von dem aufkeimenden Wunsch reden, der mich<br />

bedrängt. Warum kommt mein Hippolyt nicht mit Euch hierher? Ach, mit<br />

den Augen meiner sehnsüchtigen Phantasie sehe ich ihn so oft vor mir.<br />

Solche Einbildung ist sehr schmerzlich, und sie martert mein Inneres zutiefst;<br />

denn sowenig man ein vorhandenes Gut eines künftigen wegen aufgeben soll,<br />

sowenig sollte man Unheil erleiden wegen eines künftigen Glücks.«<br />

»Edles Fräulein«, sagte Tirant, »ich bitte Euch herzlich, habt die Güte, mir zu<br />

sagen, ob mein Unstern etwa die Frau Kaiserin da hineinbugsiert hat, oder<br />

sonst eine Person, vor der ich mich in acht zu nehmen hätte. Ich brauche<br />

Euren Rat und Eure Hilfe. Ihr dürft mir Euren Beistand nicht verweigern.«<br />

»Ich würde Eurer Durchlaucht nie eine irreführende Auskunft geben; denn<br />

die Vorwürfe würden uns beide in gleicher Härte treffen: Euer Gnaden<br />

wegen Eures Kommens, und mich, weil ich Euch eingelassen habe. Aber da<br />

ich genau weiß, daß die Prinzessin die Liebe, die Ihr für sie hegt, nicht ganz<br />

unbelohnt lassen will, und da ich merke, daß Euer Gelüst sehr groß ist,<br />

endlich das zu erlangen, was Ihr begehrt, möchte ich Euch gern dazu<br />

verhelfen; denn wer heftig begehrt und seine Begierde nicht stillen kann,<br />

leidet arge Pein. Andererseits geht nichts leichter verloren als das, was später<br />

wiederzuerlangen eine vergebliche Hoffnung ist.«<br />

Da betrat Tirant das Gemach und fand die Prinzessin damit beschäftigt, ihr<br />

Haar, dessen Goldschwall sie sich um die Hand gewickelt hatte, zu strählen.<br />

Als sie den Ritter erblickte, sagte sie zu ihm: »Wer hat Euch das Recht<br />

gegeben, hier einzudringen? Das ist ungehörig, und es steht dir nicht zu,<br />

einfach mein Schlafgemach zu betreten ohne meine Erlaubnis. Denn wenn<br />

der Kaiser das erfährt, kann es sein, daß man dich der Illoyalität bezichtigt.<br />

Ich flehe dich also an: Mach, daß du fortkommst, denn meine Brüste beben<br />

unaufhörlich vor Scheu und Unruhe.«<br />

Doch Tirant kümmerte sich nicht um die Worte der Prinzessin, sondern ging<br />

auf sie zu, nahm sie in die Anne und küßte ihr wieder und wieder die Brüste,<br />

die Augen und den Mund. Und keine der Zofen griff ein, als sie sahen, daß<br />

Tirant dieses Spielchen mit der Herrin trieb; aber als er seine Hand unter ihren<br />

Rock schob, eilten ihr alle zu Hilfe. Und mitten in diesem spaßigen Trubel<br />

merkten sie, daß die Kaiserin sich der Kammer ihrer Tochter näherte, um<br />

<strong>nach</strong>zusehen, was da los war; vor lauter Jux und Tollerei merkten sie es jedoch<br />

erst, als die Mutter sich bereits an der Tür des Gemaches befand.<br />

Rasch warf Tirant sich längelang platt auf den Boden, und die Mädchen<br />

warfen Wäsche über ihn. Und auf den Kleiderhaufen setzte sich die<br />

Prinzessin. Sie kämmte und kämmte sich. Und die Kaiserin setzte sich neben<br />

sie. Es fehlte nicht viel, und sie hätte sich auf dem Kopf Tirants<br />

niedergelassen. Gott allein weiß, welche Angst vor Blamage der Ritter in<br />

diesem Moment durchlitt! Geraume Zeit befand er sich in dieser<br />

beklemmenden Lage, während die beiden Damen sich des langen und breiten<br />

über die bevorstehenden Festveranstaltungen unterhielten, bis endlich eine<br />

Zofe mit dem Stundenbuch anrückte. Da erhob sich die Kaiserin, begab sich<br />

ein wenig abseits, ans andere Ende des Gemachs, und schickte sich an, ihr<br />

Stundengebet zu sprechen. Die Prinzessin rührte sich nicht von der Stelle, aus<br />

Furcht, die Kaiserin könnte den Kapitan entdecken. Als Karmesin dann ihr<br />

Haar genug gekämmt hatte, fuhr sie mit der Hand unter ihren Rock und<br />

kämmte Tirant; der aber küßte ihr wieder und wieder die Hand und schnappte<br />

sich den Kamm. Und weil die fatale Lage, in der er sich befand, noch immer<br />

anhielt, bauten sich alle Mädchen als dichte Mauer vor der Kaiserin auf; und<br />

da erhob er sich, möglichst geräuschlos, und entschwand, mit dem Kamm,<br />

den die Prinzessin ihm überlassen hatte.<br />

Als er außerhalb des Schlafzimmers war und schon dachte, er sei jetzt an<br />

sicherem Ort und könne ungesehen entwischen, da sah er den Kaiser<br />

kommen, begleitet von <strong>einem</strong> Kammerherrn. Zielstrebig näherten sich die<br />

beiden geradewegs dem Schlafzimmer der Prinzessin. Ihr Anblick brachte<br />

Tirant etwas in Verwirrung. Und als er sah, wie sie durch einen großen Saal<br />

immer näher kamen, drehte Tirant, da ihm kein anderer Ausweg blieb, sich<br />

um, witschte schleunigst wieder in das Gemach Karmesinas und flüsterte ihr<br />

zu:<br />

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