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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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warf sich vor ihr nieder; doch die durchlauchtige Kaisertochter nahm sie am<br />

Arm, zog sie in die Höhe und küßte sie dreimal, zum Zeichen inniger Liebe;<br />

dann ergriff sie die Hand der Königin, führte sie und ließ sie neben sich Platz<br />

nehmen.<br />

Da die Prinzessin als junge Dame mit Verstand und Klugheit schon im<br />

Verlauf der vorausgegangenen Jahre durch den Umgang mit Fremden, die<br />

des Krieges wegen an den Hof ihres Vaters gekommen waren, mancherlei<br />

Sprachen erlernt hatte und darüber hinaus, dank der Unterweisung in<br />

Grammatik und Poesie, sogar lateinisch sich verständigen konnte, und da die<br />

Königin Äthiopiens ihrerseits ebenfalls die Sprache der Römer studierte,<br />

seitdem sie Tirant versprochen hatte, sie werde <strong>nach</strong> Konstantinopel reisen,<br />

um an den Festlichkeiten seiner Hochzeit mit der Prinzessin teilzunehmen,<br />

und nunmehr mit viel Charme sich lateinisch ausdrücken konnte, war es für<br />

die beiden Hoheiten ein Vergnügen, bei dieser ersten Begegnung viele<br />

Komplimente artig auszutauschen, wie dies unter höflichen Damen üblich ist.<br />

Und die Prinzessin staunte angesichts der großen Schönheit, die der Königin<br />

eigen war; und sie dachte, daß sie noch nie ein weibliches Wesen von<br />

vergleichbarem Liebreiz gesehen habe; konnte sich auch nicht vorstellen, daß<br />

ihr eigenes Aussehen neben soviel Anmut bestehen könne. Und andererseits<br />

gewahrte die äthiopische Königin bestürzt die erschreckende Schönheit der<br />

Prinzessin, und sie sagte, daß man wahrlich behaupten könne, im ganzen<br />

Weltall sei kein zweiter sterblicher Leib zu finden, der soviel Grazie und<br />

Schönheit in sich vereine; denn diese Gestalt sei eher die eines Engels als die<br />

eines Menschenkindes.<br />

Nachdem sie ein Weilchen derart charmant einander hofiert hatten, stiegen<br />

die zwei Göttinnen wieder zu Pferd, wobei sie sich gegenseitig noch immer<br />

mit nie erlebter Augenlust musterten. Und alle Damen ritten hinter ihnen<br />

drein. Die erlauchte Prinzessin gab sich alle Mühe, die Königin Äthiopiens<br />

dahin zu bringen, daß sie rechts von ihr reite, aber die Königin ließ sich<br />

nicht darauf ein.<br />

Da reichte die Prinzessin ihr die Hand, und so verbunden ritten sie bis <strong>zur</strong><br />

Stadt. Wie sie ans Tor kamen, trafen sie den Kaiser und die Kaiserin, die, im<br />

Sattel sitzend, sie dort erwartet hatten. Die Königin<br />

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näherte sich dem Kaiser, um ihm die Hand zu küssen, doch der gütige Herr<br />

ließ dies nicht zu; er umarmte sie vielmehr aufs herzlichste. Dann begab sich<br />

die Königin <strong>zur</strong> Kaiserin und wollte dieser die Hand küssen; aber auch die<br />

Kaiserin wies dies von sich und zog es vor, die Fremde dreimal auf den<br />

Mund zu küssen, um deutlich zu zeigen, wie lieb ihr deren Besuch sei. Und<br />

alle, die zugegen waren, erwiesen dem hohen Gast die größte Ehrerbietung.<br />

Der Kaiser und die Kaiserin setzten sich an die Spitze des Zuges; ihnen<br />

folgten die Prinzessin und die Königin von Äthiopien, die Königin von Fez<br />

und die Herzogin von Makedonien und dann alle anderen Damen. In dieser<br />

Reihenfolge ritten sie gemeinsam zum kaiserlichen Palast. Hinter ihnen her<br />

lief eine unzählige Menge von Leuten. Und als die Herrschaften vom Pferd<br />

gestiegen waren, ging man die Treppen hinauf, hinein in den prächtigen<br />

Palast, wo der vielgerühmten Königin ein Prunkgemach <strong>zur</strong> Verfügung<br />

gestellt wurde, das ganz mit Stoffbahnen aus Seide und Goldbrokat drapiert<br />

war, damit die hohe Frau aus der Fremde sich darin wohl fühle und die<br />

Möglichkeit habe, in einer Umgebung, die dem Stil entsprach, den feine<br />

Damen zu schätzen pflegen, sich von den Strapazen der langen Reise zu erholen.<br />

Dort wurde sie gleich am Ankunftstag großartig bedient und mit allem<br />

reichlich versehen, was für das menschliche Leben erforderlich ist. Auch alle<br />

Begleiter dieser so anmutigen Königin wurden vorzüglich beherbergt, sowohl<br />

die Herren als auch die Damen.<br />

Am darauffolgenden Tag forderte Seine Majestät der Herr Kaiser die Königin<br />

auf, in den großen Saal zu kommen, um dort mit ihm zu speisen; denn es war<br />

sein Wunsch, ihre Anwesenheit <strong>nach</strong> besten Kräften zu feiern. Wunderschön<br />

gekleidet erschien die äthiopische Herrscherin, gefolgt von all ihren Damen,<br />

und der Kaiser ließ sie neben der Kaiserin Platz nehmen. Die nächsten Plätze<br />

wurden der Königin von Fez und der Herzogin von Makedonien zugeteilt,<br />

und auf der anderen Tafelseite, der Königin von Äthiopien gegenüber, saß<br />

die Prinzessin. Am anderen Ende des Saales, vor den Augen des Kaisers,<br />

tafelten die Edelleute und Ritter, die mit der Königin gekommen waren, und<br />

an <strong>einem</strong> weiteren langen Tisch speisten die Hofdamen und Zofen, sowohl<br />

diejenigen der Kaiserin und der Prinzessin als auch diejenigen der Königin<br />

von Äthiopien. Von Kanzeln, die in den Raum

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