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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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den Vernunftbegriffen entziehen. Damit wir der Wahrheit näher kommen,<br />

soll eure Streitfrage erst <strong>nach</strong> gründlicher Beratung gerecht entschieden<br />

werden; obwohl <strong>nach</strong> meiner Meinung keine von euch beiden eines Anwalts<br />

oder Vormunds <strong>zur</strong> Verteidigung der eigenen Auffassung bedarf; denn ihr<br />

habt sie jeweils recht wohlbegründet dargelegt, ohne irgendein passendes<br />

Argument zu vergessen. Und weil jede von euch zweien darauf aus ist, sich<br />

durchzusetzen, solltet ihr morgen hierherkommen, um den Urteilsspruch zu<br />

vernehmen. Ich aber will im Rat der Ritter und Gelehrten die Sache mit allem<br />

Scharfsinn diskutieren und dann, ohne Begünstigung dieser oder jener Seite,<br />

gerecht das Fazit verkünden.«<br />

Der Kaiser verließ das Gemach und begab sich in einen Saal, wohin er die<br />

Ritter und Juristen <strong>zur</strong> Ratsversammlung berief. Heftig war der Wortwechsel,<br />

der sich bei dieser Sitzung ergab, denn viele sprachen sich für die Kühnheit<br />

aus, andere jedoch für die Klugheit. Lang disputierte man, ohne sich einigen<br />

zu können. Schließlich ließ der Kaiser abstimmen und fügte sich der<br />

Mehrheit. Das Votum ließ er als Schiedsspruch niederschreiben.<br />

Und am nächsten Tag, <strong>zur</strong> festgesetzten Stunde, begab sich der Kaiser in den<br />

großen Saal, begleitet von allen Damen, und setzte sich auf den<br />

Herrscherstuhl. Die Kaiserin ließ sich an seiner Seite nieder, und die<br />

Prinzessin nahm vor ihnen Platz; und sämtliche Barone, Edelleute und Ritter<br />

setzten sich, um genau den Wortlaut des Urteilsspruchs zu vernehmen, der da<br />

verkündet werden sollte. Als alle Platz genommen hatten und Stille<br />

eingetreten war, gebot der Kaiser dem Obersten seiner Kanzlei, das Urteil<br />

bekanntzugeben. Der Kanzler erhob sich, beugte das Knie vor dem Thron<br />

und begann den Schiedsspruch zu verlesen, der den folgenden Wortlaut<br />

hatte.<br />

KAPITEL CLXXXVI<br />

Der Schiedsspruch,<br />

den der Kaiser zu verkünden befahl<br />

m Namen dessen, der ewig ist, des Vaters, des Sohnes<br />

und des Heiligen Geistes, des wahren Gottes in vollkommener<br />

Dreieinigkeit, bekunden wir, Friedrich, durch Gottes Gnade Kaiser<br />

von Konstantinopel und dem ganzen Griechischen Reich,<br />

eingedenk einer Streitfrage, die zwischen unserer erlauchten und<br />

teuren Gemahlin, der Kaiserin, einerseits und unserer hochwohlgeborenen und<br />

innig geliebten Tochter, der Prinzessin, andererseits ausgefochten worden ist,<br />

<strong>nach</strong>dem wir die Beweisführungen beider Parteien, die jeweils sehr folgerichtig<br />

und wohlbegründet vorgetragen wurden, vernommen haben, vor dem<br />

Angesicht Gottes und in der redlichen Absicht, gerechtes Urteil zu sprechen,<br />

mit dem Einverständnis der Mehrheit unseres heiligen Kronrates, ohne<br />

Rücksicht auf die große Liebe, die wir für jede der beiden Seiten hegen, einzig<br />

bedacht auf strikte Richtigkeit und entschlossen, dem recht zu geben, dem es<br />

gebührt – eingedenk all dessen also bekunden wir, auf Grund der Erwägung,<br />

daß Weisheit die höchste Gabe ist, welche Gott und die Natur dem<br />

menschlichen Geschöpf verleihen können; daß sie das Vollkommenste und<br />

Edelste ist, der Quellgrund, aus dem alle tugendhaften Kräfte kommen, die in<br />

<strong>einem</strong> Körper wirksam werden können, und daß ohne sie jegliche<br />

Fähigkeit nichtig wäre: So wie die Sonne, von der alle Planeten und<br />

Sterne ihr Licht erhalten, die gesamte Welt erleuchtet, so verhält es<br />

sich auch mit der Weisheit, die hoch über allen Tugenden steht und<br />

deren Glanz die ganze Welt durchstrahlt; und deshalb wird sie die<br />

große Herrin genannt. Der Mensch bedarf jedoch dringend auch des<br />

Mutes; denn wenn es ihm daran gebricht, wird ihm keinerlei Achtung zuteil.<br />

Deshalb muß der Mut in der Rangfolge gleich <strong>nach</strong> der<br />

Weisheit kommen. Und das heißt, daß der Weise nicht ehrenwert<br />

ist, wenn er keinen Mut besitzt; denn beide, Klugheit und Kühnheit,<br />

müssen geschwisterlich beisammen sein. Und darum ist der Ritter,<br />

welcher klug und tapfer zugleich ist, die Erfüllung wahrer, gottbegnadeter<br />

Ritterlichkeit. Einem solchen ist höchste Ehre zu erweisen, und<br />

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