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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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nevolles Erlebnis, das vor allem von der Prinzessin mit freudiger Ungeduld<br />

erwartet wurde, weil man ihr gesagt hatte, daß dieselbe sehr schön und<br />

tugendhaft sei, was in ihr den lebhaften Wunsch erweckt hatte, deren<br />

Freundschaft zu gewinnen. Das große Gefallen, das die hohen Damen an den<br />

Worten von Sinegerus fanden, ließ die Gespräche lange zu k<strong>einem</strong> Ende<br />

kommen; erst spät in er Nacht räumte man dem Schlaf die Möglichkeit ein,<br />

sein Recht zu erlangen.<br />

Die Kaiserin blieb in ihrem Gemach, und die Prinzessin suchte ihre eigene<br />

Kammer auf, wobei der Gesandte ihren Arm nahm; und während er ihr so<br />

das Geleit gab, fragte ihn Karmesina, warum er ihre Hand dreimal geküßt<br />

habe. Und Sinegerus erklärte ihr, daß er dies im Auftrag seines Herrn Tirant<br />

getan habe, der sie herzlich bitte, ihm verzeihen zu wollen; denn andernfalls<br />

würde er es niemals wagen, ihr je wieder vor die Augen zu treten, eingedenk<br />

des schlimmen Vergehens, das er ihr gegenüber begangen habe und<br />

weswegen ihn ein schweres Schuldgefühl bedrücke.<br />

Die Prinzessin antwortete:<br />

»Ritter, sagt m<strong>einem</strong> Herrn Tirant: Wo keine Schuld ist, bedarf es keiner<br />

Vergebung; sie erübrigt sich. Wenn er jedoch glaubt, sich mir gegenüber<br />

falsch verhalten zu haben, so bitte ich ihn, zwecks Wiedergutmachung mir so<br />

rasch wie möglich zu <strong>einem</strong> Wiedersehen zu verhelfen; denn sein Anblick ist<br />

das, was ich am meisten ersehne auf dieser Welt. Und sagt ihm, er soll meine<br />

Genesung nicht hinauszögern; denn er ist das Heil, das ich so lange mit<br />

unstillbarer Sehnsucht herbeigewünscht habe; und er soll mir vertrauen, denn<br />

ich will ihm ein glückseliges Leben bereiten, wo er in aller Ruhe sich dessen<br />

erfreuen kann, was er so sehr begehrt hat.«<br />

Der Botschafter verabschiedete sich von der Prinzessin und suchte das<br />

Quartier auf, das der Kaiser für ihn hatte herrichten und mit allem Nötigen<br />

versehen lassen. In selbiger Nacht ließ der Feldhauptmann Hippolyt die Stadt<br />

mit höchster Sorgfalt bewachen, indem er die sie umgebende Mauer reichlich<br />

bemannte und mächtig bestückte. Die ganze Nacht hindurch legte sich<br />

niemand schlafen; aus lauter Furcht vor den Sarazenen tat keiner ein Auge zu,<br />

und zugleich erwartete ein jeder mit gespannter Vorfreude den Moment, da er<br />

als Augenzeuge erleben könnte, wie Tirant über die Maurenflotte herfallen<br />

würde.<br />

294<br />

Hier fährt das Buch nicht fort, vom Kaiser und dessen Sorge um den Schutz<br />

der Stadt zu erzählen. Es kehrt vielmehr <strong>zur</strong>ück <strong>zur</strong> Geschichte von der<br />

Munteren Witwe, um zu berichten, was dieses vom Teufel getriebene Weib<br />

nunmehr tat.<br />

KAPITEL CDXVI<br />

Wie die Muntere Witwe aus Angst vor Tirant sich das Leben nahm<br />

ls die Muntere Witwe sagen hörte, daß Tirant komme und schon<br />

ganz nahe sei, da überkam sie solch eine Angst, daß sie in<br />

Schreckstarre zu verfallen glaubte und zu den anderen sagte, sie<br />

spüre jählings schlimme Herz- beschwerden. Sie zog sich in ihre<br />

Kammer <strong>zur</strong>ück, und dort brach sie weinend in wildes<br />

Wehklagen aus, hämmerte mit den Fäusten auf ihren Kopf und schlug sich<br />

ins Gesicht; denn sie dachte, ihre letzte Stunde sei gekommen. Sie glaubte<br />

allen Ernstes, Tirant werde sie <strong>zur</strong> Rechenschaft ziehen und erbarmungslos<br />

dem Halsgericht überantworten, weil sie ja wußte, daß er von<br />

Wonnemeineslebens erfahren hatte, welch heimtückisch falsches Spiel sie<br />

getrieben und daß die Negermaske, die das Gesicht des schwarzen Gärtners<br />

damals vor- täuschte, als Beweis ihrer Schurkerei an Bord der Galeere gesandt<br />

worden war. Eingedenk ihrer eigenen Schandtat fragte sie sich, mit welchem<br />

Gesicht sie der Prinzessin jemals wieder unter die Augen treten könnte, wenn<br />

diese erst Bescheid wüßte über das abscheuliche Verbrechen, das sie ihr<br />

angetan hatte. Und zugleich setzte die wilde Liebe zu Tirant, die neu<br />

entflammt in ihr wütete, ihr derart zu, daß sie völlig den Verstand verlor.<br />

In Hirngespinsten sich verheddernd und mit sich selber hadernd, verbrachte<br />

sie so die ganze Nacht. Sie wußte sich keinen Rat und wagte auch nicht, sich<br />

jemandem zu offenbaren, um zu erfragen, was sie tun solle; denn wenn sie<br />

aufgedeckt hätte, in welcher Lage sie sich befand, so hätte sie sich damit<br />

jedermann zum Feind gemacht. So

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