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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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den Herzog von Makedonien, Hippolyt und ein paar andere Herren beiseite,<br />

um in kl<strong>einem</strong> Kreis zu beraten, was nun zu tun sei. Und alle stimmten darin<br />

überein, daß König Escariano mitsamt allen anderen, die Tirant begleitet<br />

hatten, seinen Leichnam bis <strong>zur</strong> Stadt geleiten, diese aber nicht betreten solle,<br />

da der Äthiopier ja noch keinen Besuch beim Kaiser gemacht hatte und es<br />

jetzt, unter diesen traurigen Umständen, weder die rechte Zeit noch der<br />

rechte Ort für eine solche Visite war. Außerdem beschlossen sie, den<br />

Leichnam Tirants einbalsamieren zu lassen, weil sie ihn ja in die Bretagne<br />

bringen mußten.<br />

Und so zogen sie denn von der Stelle, wo Tirant gestorben war, weiter des<br />

Weges, der <strong>zur</strong> Stadt Konstantinopel führte. Als sie dort anlangten, war es<br />

schon spät in der Nacht. Vor dem Hauptportal der Stadt verabschiedete sich<br />

König Escariano von dem König Siziliens, vom König von Fez, vom<br />

Herzog von Makedonien und von Hippolyt, machte kehrt und ritt mit seinen<br />

Leuten <strong>zur</strong>ück in Richtung Andrianopolis, jammernd und schluchzend; denn<br />

König Escariano hing mit innigster Liebe an Tirant. Und die anderen<br />

brachten den Leichnam hinein in die Stadt, zu jenem Haus, wo er dann von<br />

den Ärzten einbalsamiert wurde.<br />

Als dies geschehen war, bekleidete man den Leib des Toten mit <strong>einem</strong> Wams<br />

aus Brokat und <strong>einem</strong> Staatsgewand, auch aus Brokat, dessen<br />

golddurchwirkte Seide mit Zobel gefüttert und gesäumt war. Und so<br />

geschmückt, brachte man ihn in die Hauptkirche der Stadt, also in die Hagia<br />

Sophia. Dort errichtete man für ihn einen sehr hohen und großen Katafalk,<br />

der ganz mit Brokat drapiert wurde. Und auf den Katafalk stellte man ein<br />

großes Ruhelager, höchst nobel ausgestattet mit schimmerndem Bettzeug,<br />

das aus Goldfäden gewebt war, und überdacht mit <strong>einem</strong> schönen Baldachin<br />

aus Vorhangstoffen gleicher Machart und gleichen Materials. Und auf dieses<br />

Bett legte man den Körper Tirants, lang ausgestreckt, wie zum Schlaf, doch<br />

gegürtet mit dem Schwert.<br />

Und als der Kaiser erfuhr, daß Tirant gestorben war, geriet sein Herz vor<br />

lauter Gram über ein so großes Unglück in solch grimmigen Aufruhr, daß er,<br />

aufspringend vom Kaiserthron, sein Kaisergewand zerriß, vom Podest<br />

herabstieg und, laut den Tod Tirants beklagend, die folgenden Worte sagte.<br />

424<br />

KAPITEL CDLXXII<br />

Die Wehklage des Kaisers über den Tod von Tirant<br />

s ist heute der Tag, an dem uns das Zepter aus der Hand sinkt<br />

und ich die stolze Krone, die mein Haupt trug, in den Staub<br />

gestürzt sehe. Unser Leib ermangelt des rechten Arms; und der<br />

Pfeiler, auf dem unser Staat sicher ruhte – niedergerissen ist er,<br />

durch die feindselige Fortuna. O ungerechter Tod, der ein Leben<br />

fortrafft und damit unzählige Freibriefe fürs Überleben den elenden<br />

Irrgläubigen zuspielt! O gehässiger Tod, der du mich am Leben läßt, damit<br />

ich fort und fort Todesqualen erleide! Du hast Tirant getötet, um den Kaiser<br />

von Konstantinopel umzubringen. Ich bin die Leiche – und auf ewig lebe die<br />

Glorie und der Ruhm des unerschrockenen Tirant!<br />

O himmlische Hierarchien, jubelt auf, empfangt ihn mit Freuden bei euch,<br />

diesen seligen Ritter; gebt ihm einen Platz in der Schar der gezählten<br />

Auserwählten, denn er hat diesen Preis verdient! Und ihr, Fürsten der<br />

Finsternis, freuet euch, falls ihr wißt, was Freude ist; denn tot ist der, durch<br />

den der heilige christliche Glaube Tag für Tag sich großartig mehren und<br />

ausbreiten konnte. Und freuen mögen sich endlich auch all die feindlichen<br />

Nationen, daß dieser Triumphator, der unbesiegbare Tirant, mit dem der<br />

ganze vereinte Ingrimm aller Ungläubigen nicht fertig zu werden vermochte,<br />

jetzt fertiggemacht ist, niedergezwungen durch den Tod – sein Sterben ist ein<br />

Grund zu großer Freude für euch alle.<br />

Ich freilich, der allein gelassene Kaiser, muß in tiefster Traurigkeit die<br />

Totenmesse feiern. Deshalb entschwinde die Sonne unseren Augen, dichter<br />

Nebel und düsteres Gewölk verdecke den Himmel, damit der helle Mond<br />

nicht strahlend zum Vorschein kommen kann und die Welt ganz und gar im<br />

Dunkel verharrt, zugedeckt von <strong>einem</strong> schwarzen Mantel. Sturmwinde sollen<br />

diese feste Erde rütteln und schütteln, die Berge sollen niederbrechen ins<br />

Tal. Die Flüsse sollen stocken in ihrem Lauf, und die klaren Quellen sollen<br />

ihre Wasser vermischen mit Sand, auf daß die Erde griechischen Volkes sie<br />

so trinke, als trauernde Turteltaube, die ihres Bräutigams Tirant beraubt ist.<br />

Zum Zeichen der Trauer sollen all die genannten Dinge geschehen. Und das

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