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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Besuchern <strong>zur</strong>ück, und ein jeder begab sich zu seiner Ruhestatt. Am<br />

nächsten Tag aber drang der Kaiser darauf, daß jedermann sich zum<br />

Aufbruch rüste, um wieder ins Feld zu ziehen. Und Tirant sowie alle übrigen<br />

beeilten sich, so gut sie konnten. Am Abend desselben Tages wollte<br />

Stephania beim Geplauder mit der Prinzessin ihr Neues von Tirant<br />

berichten, doch die Prinzessin sagte schroff:<br />

»Sei still, Stephania, verschone mich, geh mir damit nicht länger auf die<br />

Nerven. Die Heiligen im Paradies, von denen jeder einzelne zu Ansehen und<br />

Vollmacht gelangt ist, legen wenig Wert auf das, wovon du redest; sie<br />

interessieren sich nicht sonderlich für unseren ganzen Jammerkrimskrams.<br />

Wir müssen mit anderen Dingen kommen, müssen mit uneigennützigen<br />

Taten einen Lohn erringen, den man nicht anders gewinnen kann als durch<br />

Verdienst aus eigener Tugendstärke. Denn nicht alle, die sich gebärden, als<br />

ob sie liebten, sind echt, aus lauterem Gold, das aller Welt gefällt, den<br />

Großen ebenso wie den Geringen, den Reichen nicht minder als den Armen.<br />

Das Wesen, das Wollen der Menschen ist zwangsläufig verschieden. Manche<br />

machen gern große Worte und sind als Freunde so zuverlässig wie der Wind.<br />

Wie es scheint, ist er auch so einer, ein Schönredner. Denn soviel ich dir<br />

auch von seinen einzigartigen Taten erzählte – bekannt ist er mir nur als<br />

Ritter auf Urlaub, in Zeiten der Waffenruhe. Aber ich will schweigen, bis zu<br />

dem Zeitpunkt, wo mein widriges Schicksal es mir erlaubt, offen zu reden.<br />

Und was dich betrifft – du willst mit schönfärberischen Worten mein Leben<br />

in Gefahr bringen. Es ist besser, wir legen uns jetzt schlafen, statt mein Herz<br />

noch mehr dem Kummer auszusetzen.«<br />

Stephania wollte noch etwas sagen, aber Karmesina gestattete ihr kein<br />

einziges Wort. Die Prinzessin entfernte sich, und völlig niedergeschlagen<br />

blieb Stephania allein <strong>zur</strong>ück, allein mit ihren allzu menschlichen<br />

Weibsgedanken.<br />

So vergingen zwei oder drei Tage, und die Prinzessin zeigte allen ein<br />

freundliches Gesicht, auch bei der Begegnung mit Tirant, da sie wußte, daß<br />

die Ritter alsbald ausrücken mußten. Und dem Kaiser gegenüber sagte sie:<br />

»Herr, schaut her, hier ist Tirant, Euer tapferer Feldhauptmann, der schon<br />

recht bald, denke ich, mit dem Sultan das Gleiche tun wird,<br />

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was er mit dem Großkaramanen und dem König des Unabhängigen Indien<br />

getan hat, oder so mit ihm verfahren wird wie mit dem König von Ägypten;<br />

denn wahrlich, selbst wenn alle Welt im Schlachtgetümmel sich messen<br />

wollte – er wäre der einzige, der so ehrenhaft daraus hervorginge, daß sein<br />

Ruhm dauerhaft fortlebt unter denen, die <strong>nach</strong> ihm kommen, kündend von<br />

<strong>einem</strong>, der unvergleichlichen Lohn verdient hat, als großer Kämpe, der<br />

beherzt, mit aufrechtem Sinn und ohne jede Arglist alle Schlachten siegreich<br />

geschlagen und mit großer Bescheidenheit den Triumph stets Eurer Majestät<br />

zu Füßen gelegt hat.«<br />

Da ergriff der Kaiser das Wort und sprach:<br />

»Tapferer Kapitan, ich danke Euch sehr für die vielfache Ehre, die Ihr mir<br />

verschafft habt, und ich bitte Euch, daß Ihr auch künftig, kraft der<br />

Tugendstärke, die Ihr bisher so tatkräftig bewiesen habt, derart hilfreich<br />

handelt, oder herrlicher als je, denn so groß ist die Hoffnung, die ich auf<br />

Euch setze. Und Unser Herr möge mir gnädig die Möglichkeit geben, Euch<br />

so zu belohnen, wie Ihr dies reichlich verdient.«<br />

Angesichts so vieler überflüssigen Worte und unter dem Eindruck, daß die<br />

Prinzessin diese Tonart gleichsam halb im Spott angestimmt hatte, konnte<br />

Tirant nur sehr wortkarg reagieren:<br />

»So sei es.«<br />

In der Absicht, zu s<strong>einem</strong> Quartier <strong>zur</strong>ückzugehen, stieg er eine Treppe hinab<br />

und gelangte in ein Zimmer, wo er den Großkonnetabel samt Stephania und<br />

Wonnemeineslebens in <strong>einem</strong> erregten Wortwechsel vorfand. Tirant ging auf<br />

sie zu und fragte:<br />

»He, ihr da, liebe Schwestern, worüber redet ihr?«<br />

»Herr«, antwortete Stephania, »über die geringe Liebe, welche die Prinzessin<br />

jetzt, vor Eurer Abreise, Euch gegenüber bekundet, zu <strong>einem</strong> Zeitpunkt, wo<br />

sie sich doch alle Mühe geben müßte, Euch mehr denn je mit Liebe zu<br />

verwöhnen, auch wenn sie dafür ein Stückchen von ihrer Ehre dreingeben<br />

müßte. Außerdem, Herr, sprachen wir davon, was aus mir wird, wenn ihr alle<br />

abreist. Denn die Kaiserin sagte gestern abend zu mir: ›Stephania, du liebst.‹<br />

Ich wurde rot, schlug die Augen nieder und schaute voller Scham auf meinen<br />

Schoß. Diese Anzeichen von Gefühlswallung, die ich erkennen ließ, ohne ein

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