22.12.2012 Aufrufe

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

nicht den Sitten entspricht, die man von <strong>einem</strong> tugendhaften Ritter erwarten<br />

darf; daß Ihr keine Ehrfurcht kennt, weder vor Gott noch vor den Regeln<br />

weltlicher Ehrbarkeit, und Euch bedenkenlos selbst über die Tatsache<br />

hinwegsetzt, daß Ihr der mitmenschlichen Güte des Kaisers, meines Vaters,<br />

ein wahrhaft großherziges Geschenk verdankt: Eure Beförderung in den<br />

höchsten Rang, den es in s<strong>einem</strong> Reiche gibt, Eure Ernennung zum<br />

Generalkapitan, dem sämtliche Magnaten, Herzöge, Grafen und Markgrafen<br />

zu gehorchen haben. Und wenn es sich nun herumspricht, welcher<br />

Vermessenheit Ihr Euch erfrecht habt – was werden da die Leute über Euch<br />

sagen? Die Tochter des Kaisers, so wird es heißen, ist ungeachtet ihrer erhabenen<br />

Würde vom Generalkapitan Seiner Majestät <strong>zur</strong> Buhlerei aufgefordert<br />

worden – von eben jenem Mann, dem der Kaiser alles zuliebe tat und dem er<br />

in grenzenlosem Vertrauen die Aufgabe übertrug, Leib und Leben des<br />

Herrschers zu schützen, seine Habe vor Schaden zu bewahren und mich, die<br />

Thronerbin, zu beschirmen! Ihr habt den Respekt vergessen, habt die<br />

Ehrerbietigkeit nicht gewahrt, zu der Ihr mir gegenüber verpflichtet seid. Statt<br />

Euch getreu an die gegebenen Gesetze zu halten, habt Ihr Euch wie ein<br />

ungerechter Richter über Recht und Ordnung hinweggesetzt, um <strong>nach</strong> eigener<br />

Willkür Eure Laune zu befriedigen, den üblen Hang zu unerlaubter Liebe. O<br />

wie entsetzlich, Generalkapitan, habt Ihr gefrevelt gegen die Majestät des<br />

Kaisers, meines Vaters, und gegen mich! Würde ich es m<strong>einem</strong> Vater sagen, so<br />

wäret Ihr mit <strong>einem</strong> Schlag jeglicher Ehre entledigt; Euer Ruhm, der gute Ruf,<br />

den Ihr auf der Welt genießt, wäre dahin, mitsamt Eurer herrscherlichen<br />

Amtsgewalt und dem Gehorsam der Truppen von so vielen vortrefflichen<br />

Stämmen, Völkerschaften und Städten. Hättet Ihr soviel Anstand, wie es Eure<br />

Stellung erfordert, und würdet Ihr an mir irgend etwas gewahren, das als Laster<br />

mir <strong>zur</strong> Last gelegt werden könnte, so wäre es Eure Pflicht, mich dafür zu<br />

tadeln, im Interesse meines Vaters, der all sein Vertrauen in Euch, seinen<br />

Stellvertreter, gesetzt hat. Nach dem, was vorgefallen ist, wäre es nur recht und<br />

billig, wenn ich zu m<strong>einem</strong> Vater liefe, vor ihm niederkniete und Anklage<br />

gegen Euch erhöbe, in Gegenwart sämtlicher Fürsten und Ritter; wenn ich mit<br />

großem Gejammer mich über das Unrecht beschweren würde, das Ihr mir<br />

458<br />

angetan habt, indem Ihr Euch erkühntet, mir tolldreist einen Liebesantrag zu<br />

machen, als wäre ich irgendein niedriges Frauenzimmer, das im<br />

Handumdrehen zu haben ist. All die vornehmen Herrschaften würden dann<br />

erkennen, daß der Edelmut, den Ihr auf der Zunge führt, nicht in Eurem<br />

Herzen wohnt. Ich würde, wenn ich es darauf anlegen wollte, als Siegerin aus<br />

dem Streit hervorgehen, auch wenn gewisse Galane und Höflinge der Meinung<br />

wären, ich hätte nicht sonderlich gut dabei abgeschnitten, weil ich eine solche<br />

Angelegenheit vor einer Menge fremder Leute meinen Eltern <strong>zur</strong> Kenntnis<br />

gebracht hätte. Aber es ist nichts als die nackte Wahrheit, wenn ich behaupte,<br />

daß Ihr mir die Kehrseite Eurer so kleidsam <strong>zur</strong> Schau getragenen Ehrbarkeit<br />

gezeigt habt, ohne Rücksicht auf die Ehrfurcht, die Ihr der kaiserlichen Krone<br />

schuldet. Die ganze Welt weiß dann Bescheid. Und dies zu Recht, denn<br />

unerträglich ist die Kränkung, die Ihr mir angetan habt.«<br />

Mit diesem Satz erhob sie sich von ihrem Sessel auf der Estrade, um sich in<br />

ihr Gemach <strong>zur</strong>ückzuziehen. Als Tirant jedoch sah, daß sie sich entfernte,<br />

eilte er ihr <strong>nach</strong>, hielt sie am Mantel fest und flehte sie an, sie möge doch so<br />

gnädig sein, ihn anzuhören. Und auch Stephania und Diafebus beschworen<br />

die Prinzessin so lange, bis sie sich erweichen ließ und wieder Platz nahm.<br />

Tirant aber hob an, ihr das Folgende zu sagen.<br />

KAPITEL CXXIX<br />

Wie Tirant der Prinzessin darlegte,<br />

weshalb er ihr einen Antrag gemacht habe, und die Absicht<br />

bekundete, sich aus Liebe zu ihr das Leben zu nehmen<br />

h, tugendhaftestes aller sterblichen Wesen! Eure Durchlaucht sollte<br />

nicht verkennen, welchen Wert und welch unwiderstehliche Kraft<br />

die Liebe hat, jene Kraft, die alle Regionen des Himmels in<br />

Bewegung hält, in <strong>einem</strong> stetigen Kreisen, an dem die geistigen<br />

Wesenheiten unermüdlich sich ergötzen, angetrieben einzig und<br />

allein von der Liebe zu der Mitte,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!