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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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KAPITEL CCCXXXII<br />

Was Tirant der Königin erwiderte<br />

iemand kann eine feste Burg errichten, wenn er die Grundmauern<br />

auf Sand setzt. Ich sage dies, Herrin, weil die Liebe Eure feine<br />

Wahrnehmung derart beansprucht, daß die Erinnerung an das,<br />

was ich Eurer Hoheit bei früherer Gelegenheit berichtete, davon<br />

überdeckt wird. Ich meine die Tatsache, daß es nicht in meiner Macht steht,<br />

Euch etwas zu geben, das ich nicht mehr besitze, weil ich es schon verschenkt<br />

habe. Es ist Eurer Durchlaucht ja nicht unbekannt, daß wahre Liebe es nicht<br />

zuläßt, daß man sie zerteilt in viele Stückchen; denn ein solches Verfahren<br />

ließe sich nicht praktizieren, ohne daß man den Menschen, welchen man liebt,<br />

damit gröblich kränkt. Deshalb, Herrin, bitte ich Eure Hoheit herzlich, die<br />

Augen Eures klaren Verstandes aufzuschlagen, damit die heftige Leidenschaft,<br />

die Euch erfaßt hat, Euer gutes Urteilsvermögen nicht so beeinträchtigt, daß<br />

Ihr nicht mehr erkennt, was tunlich und ratsam ist. Richtet Eure Hoffnung<br />

lieber auf ein anderes Ziel. Und habt die Güte, Durchlaucht, Euch nicht<br />

verletzt zu fühlen durch meine rohen Worte. Was ich gefehlt habe, will ich<br />

gutmachen durch Taten, die Euch erkennen lassen, daß Ihr in mir einen Vater<br />

und Bruder habt. Und es wäre ein Glücksgeschenk für mich, wenn es Euch<br />

belieben würde, diesen redlichen König zum Gemahl zu nehmen, der als<br />

Gefährte Euch ja kein Unbekannter ist; denn mit ihm, der Euch so heftig<br />

liebt, fahrt Ihr gewiß besser als mit <strong>einem</strong> anderen, den Ihr noch nicht kennt<br />

und von dem Ihr nicht wissen könnt, ob er Euch jemals liebt. In Frieden<br />

würdet Ihr dann in Eurem Königreich leben, unangefochten, ohne Zwist. Mir<br />

würdet Ihr damit eine große Freude machen, und der König würde es Euch<br />

hoch anrechnen, was Ihr damit für ihn tut.«<br />

Die Königin, die begriff, was Tirant im Sinn hatte und daß es zwecklos wäre,<br />

sich s<strong>einem</strong> Willen zu widersetzen, antwortete daraufhin, mit Tränen in den<br />

Augen, in folgender Weise.<br />

102<br />

KAPITEL CCCXXXIII<br />

Antwort der Königin auf den Rat Tirants<br />

eil ich erkannt habe, wieviel Achtung du verdienst, werden die<br />

Qualen, die ich aus Liebe durchlitten habe, mir <strong>zur</strong> Lust, wenn ich<br />

sehe, mit welcher Klugheit du das Ornat der Standhaftigkeit trägst.<br />

Und ich weiß sehr wohl, daß man dich heiligsprechen sollte, weil<br />

du wahrhaft liebst. Aber denke nicht, ich könnte je mich damit<br />

abfinden, daß ich deine Liebe nicht zu erwerben vermochte; denn solange<br />

mein Leben währt, werde ich dich immer lieben eingedenk deiner nie<br />

versagenden Weisheit und Edelmütigkeit. Und da mein trauriges Schicksal<br />

mich nun einmal so tief in Leid und Trübsal gebracht hat, daß es mir verwehrt<br />

ist, dich als Ehemann und Herrn zu bekommen, habe ich beschlossen, dich als<br />

meinen Vater zu betrachten; denn niemals wäre ich imstand, dich gebührend<br />

zu belohnen für all die Ehren, all die Hilfen, die mir durch dich zuteil<br />

geworden sind. Deshalb flehe ich zu Gott, er möge in seiner unermeßlichen<br />

Güte es dir vergelten mit viel Ehre und Wohlergehen, weil ich selbst es nicht<br />

vermag und du von dem, was ich dir zu bieten hätte, nichts annimmst. Denn<br />

du stehst so hoch, bist ein Mann von solchem Wert, daß ich es nicht verdiene,<br />

deine Dienerin zu sein. Du hingegen hättest es verdient, Herr der ganzen Welt<br />

zu sein; denn ohne Gottes Gnade und dein Erbarmen wäre ich verloren<br />

gewesen und zugrunde gegangen. Mein Vertrauen zu dir ist so groß, daß ich<br />

meine Person und meine Habe in deine Hände lege und bereit bin, alles zu<br />

tun, was du mir gebietest, soweit ich irgend dazu imstande bin.«<br />

Tirant, der die noble Haltung der Königin gewahrte, kniete vor ihr nieder und<br />

sagte ihr seinen unendlichen Dank. Dann schickte er unverzüglich Boten aus,<br />

die den König und den Ordensbruder herbeiholen sollten, und in Gegenwart<br />

aller ließ er Escariano und Maragdina trauen. Her<strong>nach</strong>, am darauffolgenden<br />

Tag, ließ er für die beiden eine Messe zelebrieren, da sie ja nun katholische<br />

Christen waren. Und <strong>nach</strong>dem die Hochzeit mit all dem festlichen Pomp, der<br />

<strong>einem</strong> königlichen Brautpaar geziemt, gefeiert worden war, übernahm der<br />

König Escariano als Gemahl der Königin die Herrschaft über das gan-

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