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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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ihn sollte man auf einen Thron setzen, wenn er tugendhaft lebt. Und der<br />

Ritter, der Kühnheit liebt, ist großmütig; und deshalb ist Pompejus zum Sieger<br />

in vielen Schlachten geworden. Aber wann immer die beiden Eigenschaften<br />

vollkommen vereint sind in <strong>einem</strong> Ritter, so gebührt diesem, wer immer er<br />

auch sein mag, ein Herrschaftsrang oder die höchste Würde der Welt. Und<br />

deshalb erklären wir, daß wir die Kaiserin, welche die Kühnheit hochhält, dazu<br />

verurteilen, von jetzt an rühmend über die Klugheit zu reden. Außerdem<br />

gebieten wir ihr, daß sie überall, wo man über Weisheit und Mut spricht, stets<br />

der Weisheit die höhere Ehre erweise, denn die steht derselben zu; und wir<br />

verlangen, daß sie dies ehrlich und von Herzen tue, ohne Groll oder Hinterlist.<br />

Auch erwarten wir, daß zwischen Mutter und Tochter keinerlei Verstimmung<br />

<strong>zur</strong>ückbleibt, sondern ein Einvernehmen herrscht, wie dies zwischen Mutter<br />

und Tochter bestehen soll.«<br />

Kaum war das Urteil verkündet, da erhielt es Lob von beiden Seiten, und alle,<br />

die es hörten, priesen den Kaiser, weil er so trefflich den Streit entschieden<br />

hatte; und sie zitierten das Sprichwort, das da lautet: »Ein Keim aus gutem<br />

Kern trägt als Baum nicht schlecht, und ein tapferer Ritter richtet gerecht.«<br />

Unter den Leuten, die Zeugen der Verkündigung jenes Urteils waren,<br />

befanden sich auch die Gesandten des Sultans sowie der Großkaraman und<br />

der König des Unabhängigen Indien. Nach der Verlautbarung beriet sich der<br />

Kaiser mit s<strong>einem</strong> Generalkapitan und anderen Rittern, und es wurde<br />

beschlossen, daß ein großes Fest veranstaltet werden solle; und im Anschluß<br />

daran würde man dann den Gesandten die Antwort erteilen, so daß sie die<br />

Heimreise antreten könnten. Und der Kaiser beauftragte Tirant, die gesamte<br />

Planung und Leitung der Festlichkeiten zu übernehmen, sowohl der Turniere<br />

wie auch der Tänze und sonstiger Lustbarkeiten. Tirant erklärte sich dazu<br />

bereit, weil er gar nicht anders konnte, als das zu tun, was ihm als Aufgabe<br />

zukam. Durch Ausrufer wurde bekanntgegeben, daß genau in zwei Wochen<br />

besagtes Fest stattfinden werde.<br />

Als Stephania sah, daß alle großen Herren wegen der Waffenruhe gekommen<br />

waren, der Großkonnetabel aber vergeblich auf sich warten ließ,<br />

schrieb sie ihm einen Brief des folgenden Inhalts.<br />

KAPITEL CLXXXVII<br />

Sendschreiben Stephanias an<br />

den Großkonnetabel<br />

ortbrüchig zu werden bekommt Rittersleuten schlecht, denn<br />

darauf stehen die Strafen, welche für jeden Fall der Treulosigkeit<br />

gelten – verschärft, wenn es sich um ein Vergehen gegen<br />

Liebespflichten handelt. Und Du hast Dich gegen mich<br />

vergangen, indem Du mir fälschlich versprochen hast, Du<br />

würdest so bald wie möglich zu mir <strong>zur</strong>ückkehren. Um ungetreu zu werden,<br />

genügt ein einziger Wortbruch: aber wer diesen einen verzeiht, muß damit<br />

rechnen, vielmals verzeihen zu müssen. Und ich sage Dir ganz bewußt: Dein<br />

Wort hat weniger Gewicht als eine Grannenspitze. Fürchtest Du vielleicht,<br />

ich sei es nicht wert, zu Dir zu gehören, und sei nicht würdig, von Dir<br />

geheiratet zu werden? Ich weiß nicht, aus welchem Grund Du noch immer<br />

nicht zu mir kommst. Und falls etwa ein neues Liebchen Deinen Hals<br />

umschlingt oder Dir in den Armen liegt, wäre dies für mich das Ende unserer<br />

Liebe. 0 Gott, laß mich sterben, ehe ich die Kränkung durch einen solch<br />

schändlichen Ehebruch erlebe! Ja, der Tod soll mich ereilen, bevor Du solche<br />

Schuld auf Dich lädst! Und ich sage so etwas nicht, weil irgend etwas an Dir<br />

mich hätte vermuten lassen, daß Du mir künftig Leid antun würdest; auch<br />

nicht, weil mir neuerdings irgendein Gerücht zu Ohren gekommen wäre; aber<br />

ich habe einfach Angst. Denn – wer, der liebt, hat je in Seelenruhe gelebt?<br />

Und auch abwegige Gedanken stürzen mich jedesmal aufs neue in Unruhe,<br />

ob zu Recht oder zu Unrecht. Tu darum alles, Deine Feinde zu vernichten,<br />

aber nicht Deine Verlobte. Denn von Dir hängt es ab, ob mein Fehltritt mir<br />

zum Heil oder zum Unheil ausschlägt; und auch Dir selbst würde es sehr<br />

schaden, wenn Deine Ehre eine solche Einbuße erlitte. Ich bitte Dich also,<br />

nenne mir ehrlich einen anderen Grund, der Dein Verhalten entschuldbar<br />

erscheinen läßt, mit dem Du mich so gekränkt hast, daß die neidischen<br />

Schicksalsmächte mein erblühendes Glück bedrohen. Die Hoffnung auf das<br />

Gute und die Angst vor dem Schlechten lassen mich mal dies, mal jenes<br />

glauben, und meine Hand, ermattet vom Schreiben, liegt schlaff in m<strong>einem</strong><br />

Schoß.«<br />

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